Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Therapiearten – Sequentielle Androgenblockade (SAB)

Die Sequentielle Androgenblockade ist eine selten abgewandte Form einer antihormonellen Behandlung unter Einsatz zweier Wirkstoffe:
– eines Antiandrogens (Flutamid, Bicalutamid)
– eines 5-alpha-Reduktase-Hemmers (Finasterid, Dutasterid).
Die SAB wird zum Beispiel angesprochen in dem Buch "Ein Ratgeber zum Prostatakrebs" von Dr. Stephen B. Strum und Donna Pogliano, wo es heißt: " Die sequentielle Androgenblockade (SAB) ist eine Variante der ADT. Sie beruht auf einem Ansatz mit zwei Medikamenten und dem Ziel, das Wachstum des PK mit Hilfe einer Androgen-Deprivation auf der Ebene der Tumorzellen zu stoppen. Gleichzeitig soll der Testosteronspiegel im Serum im Normalbereich gehalten werden in der Hoffnung, so die sexuellen Funktionen erhalten zu können.
Ed

W.Rellok schrieb am 4.9.2012 unter dem Betreff "Androgenblockade nach biochemischem Versagen der lokalen Therapie":
Eine neue Studie in der Fachzeitschrift Cancer untersuchte die Effizienz einer peripheren Androgenblockade mithilfe einer Kombination aus einem 5-alpha-Reduktase-Inhibitor und einem Antiandrogen bei biochemischem Versagen der lokalen Therapie des Prostatakarzinoms. Die Vermutung der Studienautoren war, dass dieses Vorgehen mit einer geringeren Morbidität verbunden sein könne als die konventionelle gonadale Androgensuppression.
An der Studie nahmen 99 Patienten teil, die sich zuvor einer lokalen Therapie unterzogen hatten. Bei allen kam es zu einem PSA-Anstieg von mehr als 1 ng/ml, ohne dass ansonsten ein Rezidiv erkennbar gewesen wäre. Die Patienten erhielten Finasterid (5 mg oral pro Tag) und Flutamid (250 mg oral 3x am Tag). Beobachtet wurden das Verhalten des PSA-Wertes und die Einschätzung der Lebensqualität.
Bei 96 (96 %) der Patienten kam es zum Abfall des PSA um mindestens 80 %. Die mediane Zeit bis zur PSA-Progression betrug 85 Monate. Innerhalb des medianen Follow-up von zehn Jahren wurde das mediane Überleben nicht erreicht, das Fünf-Jahres-Gesamtüberleben lag bei 87 %. Die Toxizität der Therapie wurde von den Autoren als mild eingestuft, 18 Patienten beendeten die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen. 15 Patienten erlitten Durchfall, bei vier trat Gynäkomastie auf, bei drei kam es zum Anstieg der Transaminasen. Die Baseline Functional Assessment of Cancer Therapy Prostate Module and Treatment Outcome Index scores sanken um jeweils fünf Punkte alle sechs Monate nach Registrierung.
Eine Kombinationstherapie mit Finasterid und Flutamid sei in der Studie mit einem Abfall des PSA-Wertes um mindestens 80 Prozent bei 96 Prozent der Patienten verbunden gewesen, so die Zusammenfassung der Studienautoren. Eine Anwendung des Behandlungsschemas bei Prostatakarzinompatienten mit serologischer Progression nach lokaler Therapie scheine somit möglich. Unerwartete Nebenwirkungen seien nicht aufgetreten, die Veränderungen bezüglich der Lebensqualität seien mild ausgefallen. Eine weitere Evaluierung der Effizienz dieses und ähnlicher Therapieregime in kontrollierten klinischen Studien sei notwendig.
Quelle:
Monk, J. P. et al.: Efficacy of peripheral androgen blockade in prostate cancer patients with biochemical failure after definitive local therapy. Results of Cancer and Leukemia Group B (CALGB) 9782. Cancer 2012, 118(17):4139-4147

Helmut.2 verwies am 6.1.2013 auf einen Eintrag auf seiner eigenen Web-Seite zu seiner Erfahrung mit der SAB.
Dazu schrieb Hans-J. am 16.1.2013:
Natürlich ist eine SAB, bedingt durch das Vorhandensein des Testosterons, angenehmer zu ertragen. Aber was wird bezweckt durch die SAB?
Doch wohl nur ein PSA-Maskieren, natürlich kann man auch diskutieren, ob eine ADT in der rein palliativen Situation nichts Anderes wäre, mit den entsprechenden NW.
Ich hatte mich während meiner zwei SAB für die intermittierende Form entschieden, um der Androgenresistenz vorzubeugen, da mein Androgenrezeptormechanismus nicht von H. Prof. Bonkhoff mitbestimmt wurde.
Im nachhinein mehrere Monate Zeitgewinn. Jedoch die Gefahren bei Vorliegen eines hypersensitiven Androgenrezeptormechanismus sind ja auch bekannt.
Mir ist aufgefallen, dass du zwar dein DHT sehr schön stabil niedrig hattest, was sicherlich Dutasterid zuzuschreiben war.
Aber die hohen Dosen von Dutasterid haben mich dann doch irritiert.
Letztlich hast du dann doch noch zur Spritze gegriffen.
Diese schleichende Weiterführung – ob IADT oder CADT bis zur Kastrationsresistenz – kann man aus meiner heutigen Sichtweise besser gestalten, nämlich durch die Aktivierung des Immunabwehrsystems, um damit die Möglichkeiten der natürlichen Apoptose zu nutzen, wenigstens für die Tumorzellpopulation, die dafür erreichbar sind.
Dazu muss das Immunsystem wieder aktiviert werden. Dieses ist natürlich nur möglich, wenn man die IADT wählt.
Aus meiner heutigen Sicht ist die SAB für sehr leicht Betroffene eine nebenwirkungsarme Möglichkeit, sich über viele Jahre zu retten.
Im metastasierten Stadium eher weniger, hier ist Tumorlastsenkung unbedingt höher zu gewichten, um auch das Tumorstammpotential zu minimieren. Aber das ist zur Zeit noch nicht voll in der Schulmedizin angekommen.
Am selben Tag berichtete Klaus (A):
ich hatte vor etwa zwei Jahren auch einmal nach 18-monatiger ADT3-Intermittierungspause eine SAB gemacht; hatte ganz gut für einige Monate funktioniert. Dann versuchte ich eine Intermittierung. Das war falsch, denn da durch das Bicalutamid mein Testosteron für meine Verhältnisse sehr hoch war, ist schon vier Wochen nach Intermittierungsbeginn mein PSA stark angestiegen. Eine sofortige Eligard-Spritze konnte den Anstieg abfangen....... Testo und PSA fielen steil ab, zum Glück.
Habe das Eligard für zwölf Monate bis letzten Juli bekommen (PSA < 0,04 ng/ml die ganze Zeit); seit Oktober intermittiere ich wieder, was Eligard anbelangt. Seit Ende Dezember (bei leicht angestiegenem Testo und PSA immer noch < 0,04) schlucke ich 50 mg Bicalutamid.
Ich hoffe damit die "Eligard-Pause" zu verlängern, da mich das niedrige Testo doch immer sehr schlaucht.
Am 19.1.2013 schrieb Reinardo, an Helmut.2 gewandt:
Ich habe mir das durchgelesen und hätte gern gewusst, auf welche wissenschaftlichen Daten (Studienergebnisse, Expertenaussagen etc.) Du Dich bzgl. der SAB berufst. Ich würde das gerne erfahren, weil die von mir gelesene Literatur dazu eigentlich nichts hergibt.
Patrick Walsh, ein Pionier für nervschonende Operationen, von denen er viele Tausend am John Hopkins Hospital vorgenommen hat, nennt die SAB (= Step-Up Hormonal Therapy) einen "candy-coated approach to hormonal therapy" (Seite 483 seines "Guide to Surviving Prostate Cancer"). Er schreibt, dass man sich damit, ebenso wie mit der intermittierenden Hormontherapie, etwas vormacht, weil grundsätzlich alle Wege der Hormontherapie den schleichenden Progress der hormon-insensitiven Komponente des Krebses nicht aufhalten. Schreibt er doch: "You may not feel it, but the cancer is still there, growing stealthily, and when it breaks out from below the medical radar screen, it can burst back into your life with a vengeance".
Ich vertraue sehr auf die Aussagen von Patrick Walsh, einerseits weil ich durch die DHB/Leibowitz vorbelastet, vielleicht auch voreingenommen bin, andererseits aber auch, weil ich so viel Übereinstimmung zwischen der Lehre von Patrick Walsh und den Thesen der Cytopathologen finde, die bekanntlich der Hormontherapie sehr reserviert gegenüberstehen.
Generell lässt sich doch sagen, dass auch die SAB diejenige Komponente des Krebses, die durch Hormontherapie nicht erfasst und die letztendlich zum Tode führt, bei Dir ebenso wie bei Anderen, zu kurz greift und es deshalb für Dich sinnvoll sein könnte, über neue oder zusätzliche Therapiemöglichkeiten nachzudenken. Schön wäre es, wenn sich, wie Hans dies vorschlägt, das körpereigene Abwehrsystem mehr aktivieren ließe. Leibowitz schlägt vor antiangiogene Mittel oder eine frühzeitige leichte Taxotere-Therapie. Auch Walsh bringt in seinem Guide eine lange Liste möglicher Behandlungen, nicht viel anders als Steven B. Strum, aber wenn man sich das durchliest, ist das alles entweder noch nicht klinikreif, oder es ist zu teuer oder auch nur Prinzip Hoffnung = heiße Luft.
PS. Übersetzung:
Candy-coated approach to hormonal therapy = Hormontherapie im Zucker-Bonbon
You may not feel it . . . = Du spürst ihn nicht, aber der Krebs ist noch da. Er wächst heimlich in leisen Schritten, und wenn er von hinter dem medizinischen Radar-Schirm hervorkommt, bricht er in Dein Leben mit Macht hinein.
Am 20.1.2013 warf Andreas S. ein:
eine Studie mit durchaus ermutigenden Ergebnissen zur SAB gibts hier zu sehen.
Am selben Tag schrieb LowRoad:
Zur Sequenziellen ADT, also statt eines LHRH-Analogon nur ein Antiandrogen (z. B. Bicalutamid) evt. zusammen mit einem 5-ARI wie Finasterid oder Dutasterid zu nehmen, da habe ich immer etwas Bedenken, die ich Euch hier kurz schildern will.
Grundlage der SAB scheint eine italienische Studie von Boccardo [3] zu sein, bei der aber fortgeschrittener PCa untersucht wurde, also Patienten eine entsprechende ADT das als primäre Therapieform angeboten bekamen. Nachbeobachtungszeit war nur 38 Monate, was für das Rezidiv-Setting [eine Rezidiv-Situation – Ed] definitiv zu kurz ist.
Reinardo, Du führt, mal wieder, Pat Walsh an, der aber, wie Du sicher weißt, das Testosteron als treibende Kraft des Prostatakarzinoms sieht, im Gegensatz zum Rest der Welt, der diese Rolle eher dem DHT zuweist. Eine SAB würde Testosteron nicht unterdrücken, im Gegenteil!
Reinardo, dein zweiter Hinweis, ggf. die ADT mit einer Chemo zu kombinieren, hat erwiesenermaßen in diesem androgensensitiven Setting keinen Vorteil! Zumindest was das "Time to progression" (TTP) angeht, was das Entstehen eines "castrate-resistant phenotypes" bedeutet. Das ist so eine Sache, die Du hier immer wieder gerne vorträgst, ohne die aktuelle Studienlage zu berücksichtigen.


Andreas, Du hast die Olson/Pienta-Studie zur Sequenziellen ADT vorgestellt. Betrachtet man die Ergebnisse: "...median duration of response to SAB was 72.5 months...", was ca. sechs Jahre bis zur Kastrationsresistenz bedeutet, erscheint auch das eher unbrauchbar, denn die "normale" ADT(2) kann mit 7 bis >10 Jahren für dieses Setting aufwarten:
Nicht ganz unkritisch sieht auch z. B. Browne & Kollegen in [1] Bicalutamid, oder Shamash & Kollegen, die die Wirkung von Dexamethason ± DES [Diäthylstilbestrol, ein synthetisches Östrogen – Ed] getestet haben: "...Patients treated with previous anti-androgens alone had more than 5 times more risk of death compared with patients treated with gonadorelin analogues throughout their castration-sensitive phase..."
Mein Fazit:
In hohem Alter bei niedriger Malignität kann SAB klappen – sonst wäre ich SEHR vorsichtig damit!
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[1]: Browne & Kollegen: Bicalutamide-induced hypoxia potentiates RUNX2-mediated Bcl-2 expression resulting in apoptosis resistance
[2]: Shamash: A multi-centre randomised phase III trial of Dexamethasone vs Dexamethasone and diethylstilbestrol in castration-resistant prostate cancer: immediate vs deferred Diethylstilbestrol
[3]: Boccardo: Bicalutamide monotherapy versus flutamide plus goserelin in prostate cancer patients