Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Medikamente – Flutamid

[Flutamid ist ein sog. Anti-Androgen und wird im Rahmen einer Hormonunterdrückungstherapie eingesetzt. Seine Wirkung beruht darauf, dass es an den Prostata- und Prostatakrebszellen die Rezeptoren für Testosteron besetzt und so die Aufnahme von Testosteron durch diese Zellen verhindert. Es kann damit im Rahmen der Dreifachen Hormonblockade (DHB) als eines der drei dort verwendeten Medikamente eingenommen werden.
Flutamid ist vergleichsweise preiswert. 84 Tabletten à 250 mg kosten seit Anfang 2004 36,40 EUR. Eine Packung reicht damit für vier Wochen (es werden täglich drei 250-mg-Tabletten
möglichst genau im Abstand von acht Stunden eingenommen).
Flutamid ist unter einer ganzen Reihe von Namen im Handel, da auf den Wirkstoff keine Patentschutz mehr besteht, z. B. Fugerel
®, Flutamid ACIS, Flutamid Stada, Prostica®, Fluta Gry usw.

Flutamid hat eine Reihe möglicher unangenehmer Nebenwirkungen, als da sein können (laut Beipackzettel):

Gynäkomastie (Brustwachstum), Brustschmerzen, Hautrötungen, Wärmegefühl, Änderung des Behaarungstypus, Herz-Kreislauf-Störungen (selten), Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, gesteigerter Appetit, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, vorübergehende abnorme Leberfunktion und Leberentzündung.
Selten: Verminderte Libido, Magenverstimmung, Appetitlosigkeit, ulkus- (d. h. Magengeschwür-) ähnliche Schmerzen, Sodbrennen, Verstopfung, Ödem, flächenhafter Bluterguss, Gürtelrose, Hautjucken, lupusähnliches Syndrom, Kopfschmerzen, Hitzewallungen, Schwindel, Schwäche, Unwohlsein, verschwommenes Sehen, Durst, Herzschmerzen, Angst, Depression, Lymphstauung, Kopfhaarverlust, Muskelkrämpfe. In Kombination mit LH-RH-Agonisten visuelle Halluzinationen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen.

Besser verträglich, aber wesentlich teurer, ist das Antiandrogen Bicalutamid. - Ed]

- siehe auch unter den Erfahrungen mit der DHB -


[Die folgende Meldung von Horst vom 22.6.2001 löste einige Betroffenheit aus, vor allem bei denjenigen, die selbst in der DHB waren. Horst musste in der Folge wegen massiver Leberprobleme die DHB abbrechen. Was genau das Leberproblem ausgelöst hat, konnte wohl nie abschließend geklärt werden. - Ed]

Hallo, nun mal keine Erfolgsmeldung von der TAB. Nach dreimaliger Enantonespritze mit Flutamid und Proscar waren meine Leberwerte enorm angestiegen (GOT: 418; GPT: 769; GGT: 187). Daraufhin wurde von Flutamid auf Casodex umgestellt. Dies führte innerhalb von vier Wochen zu einem erheblichen Rückgang (GOT: 82; GPT: 199; GGT: 137). Nachdem die Werte stagnierten, wurden Casodex und Proscar und nach zwei Wochen alle Medikamente abgesetzt. Dies ist jetzt eine Woche her, und die Werte sind wieder erheblich angestiegen (GOT: 262; GPT: 513; GGT: 190). Ab sofort wird von meinem Onkologen auch ab nächster Woche keine Enantone mehr gespritzt. Hat jemand ähnliche Probleme? Wil, eine Frage an Dich: Gibt es bei Deinen amerikanischen Freunden so etwas Ähnliches? Meine Hoffnung besteht z. Zt. in der möglichen Nebenwirkung von Enantone, die auch zu einer Enzymerhöhung im Blut führen kann, welche ja mit diesen Werten gemessen wird.

Malte schrieb daraufhin am selben Tag:

ich habe ähnliche Probleme gehabt, wenn auch nicht in Deinem Ausmaß. Bei mir waren die Leberwerte nur doppelt so hoch wie normal. Und es ging mir ziemlich dreckig. Ich hatte rasende Kopfschmerzen dabei. Ich habe mit Zoladex, Flutamid und Proscar angefangen. Nach zweieinhalb Monaten war ich total fertig. Dann bin ich von einem Tag auf den anderen auf Casodex umgestiegen und meine Probleme waren weg. Heute habe ich gelegentlich absolut erträgliche Hitzewallungen und neuerdings einen erhöhten Harndrang. Da hab ich von Wil Cranberry-Kapseln und Rosinen empfohlen bekommen, und das scheint zu wirken. Ich halte Flutamid für ein Teufelszeug und wundere mich, wie andere das vertragen. Womöglich bekommt Dir Zoladex auch besser. Als es meiner Leber so dreckig ging, habe ich morgens und abends eine Trinkampulle Polilevo genommen. Das half mir auch. Mittlerweile nehme ich auch noch Silymarin für die Leber und trinke Wikuto. Aber ich warte auch auf den Tag, an dem ich nur noch Proscar zu mir nehmen muss.


Otto2 fragte am 16.9.2004:

als Vorbereitung auf die Bestrahlung habe ich vor drei Tagen mit der HB begonnen - ich soll ca eine Woche Flutamid nehmen, das dann durch eine Drei-Monats-Spritze Eligard zeitlich überlappend abgelöst wird.

Eigenartigerweise zeigen schon am dritten Tag die ersten Nebenwirkungen des Flutamid - besonders Empfindlichkeit der Brustwarzen.

Mein Urologe hatte im Vorfeld die Bestrahlung der Brüste nicht für nötig gehalten.

Meine Frage: Kann in den vier Wochen, in denen ich Flutamid nehmen werde, eine nichtreversible Veränderung an der Brust eintreten ?

Mit der Empfindlichkeit der Brustwarzen könnte ich mich u.U. vorübergehend abfinden.

Urologe fs antwortete ihm:

die Empfindlichkeit der Brustwarzen lässt wieder nach, aber alle anderen Veränderungen sind dauerhaft. Man kann noch Tamoxifen dazu nehmen, um das zu blocken.

Aus diesem Grunde nehme ich für den "Kurzeinsatz" grundsätzlich Androcur 2 x 2 als überlappendes Anti-Androgen und habe so gut wie nie in der Zeit Probleme dabei gesehen.


Horst(MUC) machte am 21.5.2005 auf die folgende Meldung aufmerksam:

ORALES ANTIANDROGEN FLUTAMID (FUGEREL) HEPATOTOXISCH [leberschädigend – Ed]

Die US-amerikanische Arzneimittelaufsichtsbehörde FDA warnt vor der Verwendung von Flutamid (FUGEREL) bei benigner Prostatahypertrophie. Das orale Antiandrogen habe hepatotoxische Eigenschaften. Patienten müssen dies wissen und sofort den Arzt aufsuchen, sobald Appetitlosigkeit, Übelkeit, Müdigkeit, Erbrechen, dunkler Urin, Gelbsucht oder andere Zeichen der Leberschädigung bemerkt werden. Von 19 der FDA gemeldeten cholestatischen Hepatitiden und anderen schweren Leberfunktionsstörungen verliefen fünf tödlich.

Mit einer Ausnahme erhielten alle Betroffenen Flutamid in der Standarddosis von täglich 750 mg. Die Grundkrankheiten waren Prostatakarzinom (n = 17) bzw. benigne Prostatahypertrophie (n = 2). Dreimal ergab die Autopsie massive Leberzellnekrosen. Toxische Leberschäden im Zusammenhang mit Flutamid sind in Österreich, Dänemark, in den Niederlanden, in Frankreich und in anderen Ländern beobachtet worden. Wie häufig solche Vorkommnisse sind, unterliegt Schätzungen, die von weniger als ein Prozent bis hin zu fünf Prozent reichen. In unserem NETZWERK verzeichnen wir vier Leberkomplikationen unter Flutamid: Zwei Prostatakarzinom-Patienten mit Transaminasenanstieg (Berichte 2216, 2395) sowie toxische Hepatopathie mit anhaltendem Anstieg von Transaminasen, alkalischer Phosphatase und Bilirubin (4965) bei einem 54-jährigen Karzinom-Patienten. Ein bayerischer Arzt beschreibt ein Cholestase-Syndrom mit Leberschaden bei einem 55-jährigen Patienten, der täglich 750 mg zur Behandlung einer benignen Prostatahyperplasie erhielt. Die nicht zugelassene Indikation war dem Kollegen von einem Außendienstmitarbeiter von Essex Pharma empfohlen worden.

WYSOWSKI, D. K. et al.: Ann. Intern. Med. 118 (1993), 860/ati d


hartmuth schrieb am 16.5.2010 unter dem Betreff "Flutamid, wirksamer als gedacht?":

bislang schien es keinen Dissens zu geben über die Wirkungsweise von Antiandrogenen bei Prostatakrebs: Sein therapeutischer Nutzen besteht in der Blockierung des Androgenrezeptors, wodurch die Testosteron- und DHT-Aufnahme durch die Tumorzellen und damit das PK-Wachstum gehemmt wird. Eine Beeinflussung oder gar Blockade der adrenalen Androgenproduktion wurde nicht angenommen. Jedenfalls sind mir in der Literatur nachgewiesene Wirkungen von Antiandrogenen auf das Nebennierenhormon Androstendion oder Dehydroepiandrosteron (DHEA) nicht begegnet. Auch LHRH-Agonisten, die über das LH die Testosteronproduktion im Hoden herunterregulieren, gelten nicht als Inhibitoren der adrenalen Hormonproduktion, wenngleich diese ebenfalls über die Hirnanhangdrüse stimuliert wird.

Die Hormonproduktion der Nebennieren steht deshalb im Fokus, weil der PK sich von hier aus auf „Schleichwegen“ seine androgene Nahrung holt. Androstendion und DHEA sind metabolische Vorläufer des Testosteron und werden in der Prostata in T und DHT umgewandelt. Sie unterlaufen so tendentiell eine maximale ADT. Deshalb hatte Günter Feick (am 26.11.2006 im Forum) unseren geschätzten Urologen fs gefragt, „ob die adrenalen Androgen-Vorläufer Androstendion, DHEA und DHEA-S durch Antiandrogene am Eindringen in die Prostata ge- oder zumindest behindert werden? Oder wirkt das Antiandrogen nur gegen das Testosteron?“. Dieser hatte knapp geantwortet: „..nur gegen Testosteron.“

Während meiner ADT3 von 07/2007 bis 04/2009 hatte ich die Spiegel der adrenalen Hormone regelmäßig bestimmen lassen. Entgegen den Erwartungen war sowohl DHEA-S wie Androstendion deutlich unter dem untersten Normwert und stiegen erst nach Ende der ADT wieder an. Im Forum hatte ich darüber berichtet. Meine Medikation war Eligard, Flutamid und Avodart. Ich habe bislang nicht klären können, wie meine niederen adrenalen Hormonwerte zustande kamen.

Nun bin ich auf eine Quelle gestoßen, die eine Antwort zu geben scheint. Ein japanisches Autorenteam berichtet unter der Überschrift „Adrenal androgen levels as predictors of outcome in castration-resistant prostate cancer patients treated with combined androgen blockade using flutamide as a second-line anti-androgen” über eine Studie mit einem kleinen Patientenkollektiv ein überraschendes Ergebnis:

Our data show that flutamide suppresses the adrenal androgens in comparison with bicalutamide. The responsiveness and response duration of flutamide can be predicted in patients with a higher baseline androstenediol level and a lower DHEA level. Metabolites from adrenal androgens contribute to the progression of prostate cancer.” (siehe Pubmed 20202011, 17.4.2010).

Im Gegensatz zu Bicalutamid unterdrückt Flutamid adrenale Androgene. Es ist also das, was ich bei mir feststellte! Es ist nicht nur diese Aussage, die überraschen muß, sondern auch die Tatsache, dass in der Studie eine PSA-Reduktion mit Flutamid gelang trotz kastrationsresistentem Tumor. Bei der Hälfte dieser AUPK-Patienten gelang eine PSA-Reduktion um über 50 %. Das durchschnittliche Ansprechen betrug immerhin 6,25 Monate. Was bislang nach gängiger Meinung dem Ketoconazol (Nizoral) vorbehalten war, nämlich auch eine adrenale Androgensuppression, scheint zumindest teilweise auch mit Flutamid zu gelingen. Fürwahr überraschend!