Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Prognostik – die Partin-Tabellen

[Die Partintabellen sind Bestandteil einer guten Prognostik, die sich vorliegender diagnostischer Ergebnisse wie PET/CT, MRT-S, PSA-Wert, anderen Markern und pathologischem Befund bemüht, Auskunft darüber zu geben, wie weit der Krebs fortgeschritten ist. Die Prognose sollte dann Grundlage für die Therapieentscheidung sein. – Ed]

Günter schrieb am 13.10.2005:
folgende Information zur Lymphographie mit 3-Tesla-MRT und ultrakleinem, paramagnetischem Eisenoxyd- (USPIO) Kontrastmittel, hier Combidex bzw. Sinerem:
Die vorgenannte radiologische Diagnose der Ausbreitung des Prostatakrebses in die Lymphknoten ermöglicht die Darstellung befallener Lymphknoten bis minimal 3 mm. Nach Prof. Barentsz werden hierbei befallene Lymphknoten gefunden, die bis zu einer Menge von 43 % außerhalb des "urologischen Operations-Prüfbereiches" liegen. Diese Angabe wurde auch auf dem Kongress der Deutschen Urologischen Gesellschaft in diesem Herbst vorgestellt, siehe auch Beitrag von Dr. f. s. hier im Forum.
Diese Fakten machen mich unsicher hinsichtlich der Gültigkeit der zurzeit gebräuchlichen Tabellen (Kattan, Partin) im Bereich der Prognose von extrakapsulärer Ausbreitung des Prostatakrebses.
Mein Zweifeln leite ich aus den folgenden Fragestellungen ab:
1. Konnten Operateure bei den Operationen, die in die Tabellen eingingen, alle Lymphknoten im Operationsbereich, so klein wie 3 mm, erkennen, entnehmen und diese einer pathologischen Untersuchung zuführen?
2. Ist es möglich, dass ein Lymphknotenbefall außerhalb des Operationsgebietes vorliegen kann und gleichzeitig keine Lymphknoten im Operationsbereich befallen sind?
Wenn eine der beiden Fragen mit ja zu beantworten wäre, ist die Datenbasis der Tabellen nach meinem Verständnis nicht mehr ausreichend und somit auch die errechneten Wahrscheinlichkeiten.
Darauf antwortete Urologe fs am 16.10.2005:
die Bedenken sind zu verstehen, aber die Tabellen sind gerade UNTER DIESEN UNSICHERHEITEN entstanden und bilden diesen "diagnostischen und operativen Fehler" mit ab! Daher haben diesen Tabellen absolut weiterhin Gültigkeit.
Die Frage ist anders zu stellen: Wird die Statistik der OP-Ergebnisse besser, wenn gezielt nach USPIO/PET-Kenntnissen korrekt operiert wird??? Ich meine – ja.
Günter meldete sich am 23.10.2005 wieder:
zu Ihrem Hinweis auf die nach wie vor absolute Gültigkeit der Partin-Tabellen möchte ich das Folgende schreiben:
Die Partin-Tabellen basieren auf Operationsergebnissen, die sich ergaben ohne die Möglichkeit einer vorherigen Orientierung der operierenden Urologen, durch die heute zur Verfügung stehende 3-Tesla-MRT-Technik mit ultrakleinen paramagnetischen Eisenteilen. Deshalb meine ich weiterhin vertreten zu können, dass mit dem heute möglichen radiologischen Nachweis von früher okkulten Lymphknoten, die zu über 40 % außerhalb des Blickfeldes der Urologie liegen, die Partin-Tabellen überarbeitet werden müssten, bzw. die jetzt erreichbaren Operationsergebnisse durch Zuhilfenahme der vorgenannten MRT-Technik die Partin-Tabellen als überholt erkennen lassen.
Für Nicht-Urologen möchte ich in diesem Zusammenhang eine Information von Jonathan R. Oppenheimer, MD, Pathologe zu der Bedeutung der Partin-Tabellen zusammenfassend weitergeben:
Partin Tabellen – Was bedeuten sie wirklich – die Analyse eines Pathologen:
Um die Relevanz der Partin-Tabellen einzuschätzen, ist es wichtig zu verstehen, was sie tatsächlich vorhersagen, gegenüber der häufig verbreiteten Annahme, was sie vorhersagen würden. Die Partin-Tabellen sagen den pathologischen Befund der Prostata und der Lymphknoten nach Operation vorher. Obgleich es eine logische und wissenschaftlich nachgewiesene Übereinstimmung zwischen Pathologie und Prognose gibt, sind diese beiden Betrachtungen ganz unterschiedlicher Art. Die Divergenz zwischen Pathologie und Prognose ist mehreren Faktoren geschuldet:
1. Manche Tumoren, die als organbegrenzt durch den Pathologen bestimmt wurden, sind in Wirklichkeit nicht organbegrenzt und können bereits Metastasenabsiedlungen in anderen Körperregionen haben. Alternativ können die pathologischen Untersuchungen per Mikroskop mitunter nicht die kapsuläre Penetration erkennen. Nachoperative Manipulation der entnommenen Prostata kann Gewebeveränderungen bedingen, die vom Pathologen als Ausdehnung der Erkrankung gedeutet werden, etc…
2. Einige Tumoren, die als kapseldurchbrechend durch pathologische Prüfung erkannt wurden, stammen von Patienten die keinen biochemischen oder symptomatischen Nachweis eines Wiederauftretens des PCa hatten (Johns Hopkins Hospital – 58 % von 721 Männern mit deutlicher Kapselpenetration hatten nach 10 Jahren keinen Nachweis eines Pca-Wiederauftritts).
Urologe fs meinte hierzu am 24.10.2005:
ich stimme mit Ihnen überein, dass im Zeitalter von PET/CT, ProstaScint und USPIO es eine Neuauflage der Partintabellen geben müsste, bei denen die Untersuchungsergebnisse der bildgebenden Verfahren mit einfließen.
Um die Qualität der jetzigen Partin-Tabelle zu erreichen müssen aber dann auch ebenso über 5.000 (!) Männer alle Verfahren UND die anschließende OP durchlaufen. Die Kosten und die Dimension einer solchen Untersuchung können Sie sich sicher ausmalen!
Ergebnisse, schätze ich, wären frühestens in zehn Jahren valide. Ich glaube kaum, dass sich Walsh nochmals einer solchen Sysiphos-Arbeit stellen oder eine Institution die 2,5 Mio. Euro bezahlen wird.
Bis dahin sollte man die Partin-Tabellen und Kattan-Nomogramme nehmen und durch die zusätzlichen Untersuchungen abschätzen, ob Sie an der unteren oder eher oberen Grenze der Risikoklassen liegen.