Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Medikamente – Calcitriol

[Wer an das synthetische Vitamin D Calcitriol denkt, dem kommt automatisch der Markenname Rocaltrol® in den Sinn. Es gibt aber ein preiswerteres Konkurrenzprodukt, KyraMed, mit praktisch demselben Inhalt und derselben Wirkung (siehe die Seite zu Medikamentenpreisen).
Siehe zu Calcitriol auch auf der Seite über die Behandlung von Metastasen – Ed]

Manfred schrieb am 2.2.2003:
über das Präparat Calcitriol wurde schon im Forum berichtet. Unter www.uni-essen.de/tumorforschung/news/data/2003-01-20-as-02.shtml wird eine Untersuchung mit Calcitriol oral + Docetaxel an Patienten mit hormonrefraktärem metastasierten Prostatakarzinom vorgestellt.
[Da wir nicht wissen, ob die genannte Web-Seite immer verfügbar bleiben wird, hier der relevante Text: - Ed]
Calcitriol oral + wöchentliches Docetaxel bei hormonrefraktärem metastasierten Prostatakarzinom führte zu 81 % PSA-Abfall und 53 % PR.
Calcitriol in hoher Dosierung wirkt zytotoxisch auf Prostatakarzinomzellinien und erhöht die Wirksamkeit von anschließend gegebenem Docetaxel. 37 chemotherapienaive Patienten [d. h. Patienten, die noch nie eine Chemotherapie bekommen hatten – Ed] mit hormonrefraktärem metastasierten Prostatakarzinom erhielten hochdosiert orales Calcitriol 0,5 µg/kg an Tag 1 verteilt auf 4 Dosen und Docetaxel [= TAXOTERE® - Ed] i.v. (zusammen mit Dexamethason-Prämedikation) an d2 in wöchentlichem Abstand. Die Patienten waren zuvor entweder bildgebend progredient [die Krankheit war bei ihnen fortschreitend – Ed] oder hatten in zwei aufeinanderfolgenden Messungen einen PSA-Anstieg >50 % gehabt.
4 Patienten hatten eine geringgradige, nicht behandlungsbedürftige Hypercalzämie im Rahmen der Therapie, wobei jedoch keine Patienten mit Hyperkalzämie oder Nierensteinen in der Vorgeschichte bzw. deutlich erhöhtem Creatinin in die Studie aufgenommen worden waren. Zusätzlich durften die Patienten keine Thiazid-Diuretika in der letzten Zeit bekommen haben und keine magnesiumhaltigen Antacida oder Gallensäurebinder einnehmen. Sie waren angehalten, eine möglichst calciumarme Diät einzuhalten und 12 Stunden vor und 3 Tage nach Einnahme viel zu trinken.
30 von 37 Patienten erreichten einen PSA-Abfall - bei 59 % (22/37) der Patienten >75 % - und 53 % der Patienten mit bildgebend meßbarer Erkrankung (8 von 15) hatten eine partielle Remission. Einige der Patienten mit letztendlich PSA-Ansprechen hatten zunächst einen PSA-Anstieg bis maximal 30 %. Die mittlere Zeit bis zum Progress war 11,4 Monate. Von den 7 Patienten ohne PSA-Ansprechen hatten 5 eine stabile Erkrankung bis maximal 8,7 Monate. Diese Ansprechraten sind etwa doppelt so hoch wie bei Chemotherapie mit Docetaxel alleine in vorherigen Studien. Calcitriol alleine hatte in einer vorherigen Phase-I-Studie - soweit dabei beurteilbar - nur eine geringe Aniti-Tumor Aktivität. (as/Tumorklinik/20.01.2003)

Wil schrieb am 3.2.2003:
Calcitriol hat eine Antikrebswirkung. Wie funktioniert das?
PK-Zellen haben nicht nur Androgenrezeptoren (AR), sondern auch Vitamin-D-Rezeptoren (VDR) - auch das noch:>)
Calcitriol ist 1,25-dihydroxyvitamine D3, die aktive Form des VitD.
Das Komplex VDR-Calcitriol bewirkt etwas im Zellkern, wodurch gewisse Genen aktiviert werden, insbesondere das bekannte p21-Gen. Die andere zwei bekannten Gene sind BCL-2 und p53. Gene steuern die Produktion von Gen-spezifischen Proteinen. Wenn zum Beispiel das Gen p21 aktiv wird, dann wird ein (gleichnamiges) Protein p21 produziert.
Ganz kurz über die Gene p53, BCL-2 und p21:
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p53 (GOOD GUY) produziert ein p53-Protein, welches APOPTOSIS (Selbstmord der Zelle) einleitet. Leider wird p53 leicht mutiert und in diesem Fall findet kein Apoptosis statt.
BCL-2 (BAD GUY) hemmt p53 in seiner Arbeit. Manchmal wird BCL-2 in erhöhtem Maße produziert, und dies immer auf Kosten der Produktion des p53-Proteins.
p21 (GOOD GUY) bringt den Zellzyklus zum ARREST (Stillstand), die Zelle kann sich nie mehr teilen, obwohl sie noch lebt. (Am Rande: Genistein soll p21 fördern).
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Was macht nun der obengenannte VDR-Calcitriol-Komplex?
Er erhöht die Produktion eines Proteins namens IGFBP-3 (IGF binding protein-3), und dieses erhöht die Produktion von p21, wodurch die PK Zellen arretiert (zum Stillstand gebracht) werden. [Ref. 1].
Voraussetzung für diese Wirkung ist, dass die PK Zelle diese VitD-Rezeptoren (VDR) hat. Leider gibt es unter den androgenunabhängigen Zellen einige, die diese VDRn nicht ausreichend haben. JEDOCH, mittels Substanzen wie Taxol, Taxotere, Dexamethasone (Decadron), aber wahrscheinlich auch Bisphosphonate kann die VDR-Produktion erhöht werden. Also, nebst der eigenen Antikrebswirkung verstärken diese Substanzen die Antikrebswirkung von Calcitriol. [Ref. 3]. Es ist in diesem Fall so, dass zum Beispiel bei der Kombination Hochdosis Calcitriol und Taxotere [Ref. 5, 6, 7] die Wirkung von Taxotere NICHT durch Calcitriol verstärkt wird, sondern umgekehrt, Taxotere verstärkt die Wirkung von Calcitriol, abgesehen von der eigene Antikrebswirkung von Taxotere.
Die Vorgänge sind natürlich viel komplizierter als ich oben mittels eines vereinfachten Models beschrieben habe. Zum Beispiel beschreibt [Ref. 2], dass Calcitriol auch Apoptosis (statt Arrest) bewirken kann durch seine Wirkung auf mehrere Gene.
Calcitriol kann auch gewisse Proteine hemmen, die Apoptosis entgegen wirken in Zellen mit VDR (Rezeptoren) und damit auch Apoptosis über die Mitochondrien (Lungen der Zellen) einleiten. [Ref. 3].
Heute hoffe ich (zum ersten Mal) meinen Serum-Calcitriol-Wert zu bekommen. Dieser soll zwischen 40 und 140 nmol/l liegen. Wird wohl stimmen, denn ich nehme (schon seit 1998) jeden Abend 0,5 Mikrogramm Calcitriol.
REFERENZEN:
MICROBIOLOGISCHES
[1] Krishnan AV, Peehl DM, Feldman D.
Inhibition of prostate cancer growth by vitamin D: Regulation of target gene expression.
J Cell Biochem. 2003;88(2):363-71.
PMID: 12520538 [PubMed - in process]
[2] Guzey M, Kitada S, Reed JC.
Apoptosis induction by 1alpha,25-dihydroxyvitamin D3 in prostate cancer.
Mol Cancer Ther. 2002 Jul;1(9):667-77.
PMID: 12479363 [PubMed - indexed for MEDLINE]
[3] Johnson CS, Hershberger PA, Trump DL.
Vitamin D-related therapies in prostate cancer.
Cancer Metastasis Rev. 2002;21(2):147-58.
PMID: 12465754 [PubMed - in process]
[49] Medeiros R, Morais A, Vasconcelos A, Costa S, Pinto D, Oliveira J, Lopes C.
The role of vitamin D receptor gene polymorphisms in the susceptibility to prostate cancer of a southern European population.
J Hum Genet. 2002;47(8):413-8.
PMID: 12181642 [PubMed - indexed for MEDLINE]
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KLINISCHES
[5] Beer TM, Hough KM, Garzotto M, Lowe BA, Henner WD.
Weekly high-dose calcitriol and docetaxel in advanced prostate cancer.
Semin Oncol. 2001 Aug;28(4 Suppl 15):49-55.
PMID: 11685729 [PubMed - indexed for MEDLINE]
[6] Beer TM, Eilers KM, Garzotto M, Egorin MJ, Lowe BA, Henner WD.
Weekly high-dose calcitriol and docetaxel in metastatic androgen-independent prostate cancer.
J Clin Oncol. 2003 Jan 1;21(1):123-8.
PMID: 12506180 [PubMed - indexed for MEDLINE]
[7] ASCO 2002; Abstract 707
Androgen independent prostate cancer (AIPC)
Hormone refractory prostate cancer (HRPC = AIPC)
RR = Response Rate defined as at least 50% drop of PSA
Weekly calcitriol @ 0.5 mcg/kg (day 1) + Taxotere @ 36 mg/m2 (day 2)
6 cycles in 8 weeks:
39 patients
77% RR and 59% > 75% PSA reduction; 23% reached a PSA < 4.0
Median Duration of Response (MDR) 10.32 months
Median Duration of Survival (MDS) not reached
Conclusion: high-dose calcitriol may enhance the activity of weekly Taxotere without significant increase in toxicity.
BEMERKUNG 1: Die Ansprechrate [RR] von Taxotere-Monotherapie ist bei AIPC (HRPC) nahezu die gleiche wie bei Brustkrebs.
BEMERKUNG 2: Taxotere als Monotherapie spricht bei ungefähr 40 % der AIPC (HRPC) Patienten gut an (RR=40 %). In Kombination mit Calcitriol erhöht sich die Ansprechrate auf RR=70 %.

Karl stellte am 9.7.2004 eine direkte Frage an den Urologen fs:
Ein Bekannter (ebenfalls PK`ler) empfahl mir kürzlich, zu meiner Einnahme von Selen und Vitamin E, noch 1 x täglich „Rocaltrol“ 50 µg zu nehmen. Weiterhin eine zusätzliche Einnahme von min. 500 mg Kalzium, um den Kalziumverlust durch die Einnahme von Rocaltrol, auszugleichen.
Mein Hausarzt schickte mich zur Verschreibung zu meinem Urologe, dieser lehnte eine Verschreibung mit der Begründung ab:
- ohne Indikation (z. B. Nierenversagen) kann er mir Rocaltrol nicht verschreiben
- normale Vitamin-D3-Präparate wären genau so gut
- diese ganze Vitamin- und Vorsorge-Euphorie wäre sowieso für die Katz (entweder man bekommt Metastasen oder man bekommt sie nicht)
- Was würden Sie denn anhand Ihrer Erfahrungen empfehlen?
Im Internet habe ich im Informationsdienst bei ROCHE gelesen, dass man bei der Einnahme von Rocaltrol keine zusätzlichen Kalziumpräparate einnehmen darf.
- Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?
- Wenn ein Patient, mit PK, in Ihre Praxis kommt, was würden Sie ihm als präventative Maßnahmen empfehlen?
- hier im Forum habe ich viel über MCP gelesen, wäre das auch ein Weg oder ist hiermit noch abzuwarten?
Zunächst meldete sich am selben Tag Marco:
auch wenn ich kein Urologe bin, sondern Mitstreiter gegen gemeinsames Ärgernis, hier das Ergebnis meiner Recherchen und Erfahrungen:
Das Rocaltrol (Calcitriol heißt die wirksame Substanz) ist absolut sinnvoll zum Knochenschutz, braucht aber zur richtigen Wirksamkeit Zometa (oder ein anderes Bisphosphonat, aber Zometa scheint das beste zu sein) sowie zur Verhinderung weiteren Knochenabbaus 1 bis 1,2 g/d Kalzium (falls der Kalzium-Blutspiegel nicht zu hoch ansteigt!), dazu 0,3 bis 0,5 g/d Magnesium, weil Ca/Mg immer in einem ausgewogenen Verhältnis stehen muss.
Ferner hat Calcitriol nur eine Halbwertzeit im Blut von drei Stunden und zerstört vorhandenes Vitamin D3, so dass der größte Teil des Tages Vitaminmangel herrschen würde, daher zusätzlich 4000 I.E. Vitamin D3 - hiervon raten die Hersteller ab, notwendig ist es dennoch.
Der angesprochene Urologe fs meldete sich am 11.7.2004:
Rocaltrol frisst kein D3, sondern ist ein Stoffwechselprodukt des Körpers aus D3, der auch dann noch funktioniert, wenn die Nieren das D3 nicht mehr umwandeln können (Nierenkranke). Deswegen addieren sich D3 + Rocaltrol in der Wirkung, was zur Überdosierung führt. Zum besseren Verständnis habe ich einige Fakten zusammengetragen.
Rocaltrol
Vitamin-D3-Metabolit, biologisch aktive Form von Vitamin D3, sog. D-Hormon.
Eine Wirkungsverstärkung von Calcitriol wird durch die gleichzeitige Verabreichung von Vitamin D und seinen Abkömmlingen (z. B. Dihydrotachysterol) erwartet. Daher darf Rocaltrol nicht gleichzeitig mit Vitamin D oder seinen Abkömmlingen verabreicht werden.
Rocatrol hat eine relativ kurze Wirkungsdauer (3 x tgl.).
Gelegentlich können akute Symptome wie Anorexie, Kopfschmerzen, Erbrechen und Obstipation [Verstopfung - Ed] auftreten. Rocaltrol übt eine Vitamin-D-Wirkung aus, und Nebenwirkungen äußern sich als Symptome einer Vitamin-D-Überdosierung wie Hypercalcämie und Hypercalcurie (erhöhte Calciumkonzentration in Blut und Harn). Das gleichzeitige Auftreten von Hypercalcämie und Hyperphosphatämie kann zu einer Weichteilkalzifikation führen, die radiologisch nachgewiesen werden kann. Durch Überdosierung hervorgerufene Hypercalcämien können über Wochen andauern.
• Eine verminderte Wirkung von Rocaltrol kann durch die gleichzeitige Gabe von Glucocorticoiden entstehen. Glucocorticoide hemmen die Calciumaufnahme.
• Das Risiko einer Hypercalcämie (erhöhte Calciumkonzentration im Blut) ist bei der gleichzeitigen Einnahme von Thiazid-Diuretika und Digitalis-Präparaten (herzwirksame Arzneimittel) gegeben. Bei gleichzeitiger Einnahme von Digitalis-Präparaten ist Rocaltrol vorsichtig zu dosieren, da bei diesen Patienten Herzrhythmusstörungen durch die erhöhte Calciumkonzentration im Blut auftreten können.
Zur besonderen Beachtung:
Bei allen Patienten, die Rocaltrol einnehmen, muss die Behandlung laufend kontrolliert werden, um falschen Dosierungen vorzubeugen. Wenn die optimale Dosis von Rocaltrol gefunden ist, soll das Serumcalcium monatlich bestimmt werden. Sobald das Serumcalcium 1 mg pro 100 ml (bzw. 0,25 mmol/l) über der Norm (im Durchschnitt 9 bis 11 mg pro 100 ml bzw. 2,25 bis 2,75 mmol/l) liegt, ist die Behandlung ganz zu unterbrechen, bis ein normaler Calciumgehalt im Blut erreicht wird. Absetzen zusätzlich verabreichten Calciums kann für eine rasche Normalisierung der Serumcalcium-Konzentrationen ebenfalls nützlich sein. Während dieser Zeit muss das Serumcalcium sowie -phosphat täglich gemessen werden. Nachdem Normalwerte erreicht sind, kann die Behandlung mit Rocaltrol fortgesetzt werden, und zwar mit einer um 0,25 mg verminderten täglichen Dosis. Während dieser Periode soll der Calciumspiegel im Serum mindestens zweimal pro Woche bestimmt werden.
Rocaltrol braucht 800-1000 mg Calcium zusätzlich.
Calcitriol ist einer der wichtigsten aktiven Metaboliten von Vitamin D3. Dieser Metabolit wird normalerweise in der Niere aus seinem Vorläufer, 25-Hydroxycholecalciferol (25-HCC), gebildet. Calcitriol fördert die intestinale Calciumresorption und reguliert die Knochenmineralisation. Bei Patienten mit ausgeprägter Niereninsuffizienz, speziell unter chronischer Dialyse, nimmt die Bildung von endogenem Calcitriol immer mehr ab und kann auch völlig zum Stillstand kommen. Dieser Mangel spielt bei der Einstellung einer renalen Osteodystrophie eine wesentliche Rolle.
Beim Gesunden wird Vitamin D3 in der Leber zunächst in 25-(OH)-D3 und anschließend in der Niere zum aktiven Metaboliten 1,25-(OH)2-D3 (Calcitriol) umgewandelt. Nachgewiesen wurde eine endogene renale Bildung des 1,25-(OH)2-D3 von ca. 0,8 bis 2,3 mmol/Tag (0,3 bis 1,0 mg/Tag); dies entspricht etwa der Tagesdosis von 1,25-(OH)2-D3 (Calcitriol), die bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz substituiert werden muss.
Daraufhin trug Marco am selben Tag nach:
meine "Weisheiten" zu Rocaltrol (Calcitriol) und Vitamin D3 stammen (auf Umwegen) von Reinhold Vieth, Toronto, einem der Experten zum Thema D-Vitamine.
Ich habe die Originalquellen nicht gelesen, aber so wie diese Information zu mir kam, wurde dringend die zusätzliche Einnahme von 4000 I.E. Vitamin D3 empfohlen, da das Calcitriol die Zersetzung des vorhandenen D3 katalysiere und aufgrund der geringen Wirkzeit von Calcitriol nach einigen Stunden ein D3-Mangel auftritt.
Also nehme ich als (meistens braver) Patient beides und lasse natürlich Kalzium messen zwecks Feinjustierung. Ich versuche in Kürze, die Originalarbeiten zu finden, falls erfolgreich gibt es hier Nachricht. [Anscheinend wurde Marco nicht fündig, denn er meldete sich in der Angelegenheit nicht mehr. - Ed]