Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Medikamente – Androcur®, Virilit®
(Wirkstoff Cyproteronazetat)

[Androcur® ist ein sog. steroidales Antiandrogen und wird im Rahmen einer Hormonunterdrückungstherapie eingesetzt. Seine Wirkung beruht darauf, dass es an den Prostata- und Prostatakrebszellen die Rezeptoren für Testosteron besetzt und so die Aufnahme von Testosteron durch diese Zellen verhindert. Es kann damit im Rahmen der Dreifachen Hormonblockade (DHB) als eines der drei dort verwendeten Medikamente eingenommen werden. Der Wirkstoff ist Cyproteronazetat. Das Medikament wurde 1973 auf den Markt gebracht. Ein anderer Handelsname für das Präparat ist Virilit® (Hersteller: Jenapharm).
Androcur ist im Vergleich zu Casodex billig, eine Packung zu 100 Tabletten à 50 mg kostet in deutschen Apotheken 128,37 EUR (in der Internet-Apotheke DocMorris 121,95 EUR, Preise von 2004). In ausländischen Apotheken (Frankreich, Luxemburg), dürfte es zum Teil billiger sein.
Eine andere billigere Alternative zu Casodex ist Flutamid, mit dem aber manche Patienten mehr Probleme mit den Nebenwirkungen haben.
In der DHB werden üblicherweise drei Tabletten täglich eingenommen (150 mg Wirkstoff), so dass eine Packung für etwas über einen Monat reicht.
Der Hersteller ist die Schering Deutschland GmbH, D-10589 Berlin (http://www.schering.de). Er gibt die folgenden möglichen Nebenwirkungen an (Auszug aus dem Beipackzettel):
Nebenwirkungen
Veränderungen des Körpergewichts sind möglich.
Gelegentlich kann es zu vorübergehenden inneren Unruhezuständen, depressiven Verstimmungen sowie zu Müdigkeit und Antriebsminderung kommen, die das Konzentrationsvermögen beeinträchtigen können. Patienten, deren Tätigkeit erhöhte Konzentration erfordert (z. B. aktive Teilnahme am Straßenverkehr, Bedienen von Maschinen), müssen dies berücksichtigen. Der Arzt ist über das Bestehen eines Diabetes (mellitus) zu informieren, da diese Krankheit eine sorgfältige Überwachung erfordert. Androcur schränkt im Verlauf von mehreren Wochen allmählich die Zeugungsfähigkeit des Mannes ein. Sie ist nach Beendigung der Therapie innerhalb einiger Monate wiederhergestellt. Mitunter führt Androcur bei männlichen Patienten zum Anschwellen der Brustdrüsen (teilweise verbunden mit Berührungsempfindlichkeit), Beschwerden, die im allgemeinen nach Behandlungsende zurückgehen.

Leberschädigung:
Leberschädigungen wie Gelbsucht, Hepatitis und Leberversagen, in einigen Fallen mit tödlichem Ausgang, wurden bei Patienten berichtet, die mit Cyproteronacetat in Dosierungen von 200-300 mg pro Tag behandelt wurden. In den meisten berichteten Fallen handelte es sich um Männer mit Prostatakarzinom. Die Schädigung ist dosisabhängig und entwickelt sich in aller Regel mehrere Monate nach Behandlungsbeginn. Vor Behandlungsbeginn sowie beim Auftreten von Symptomen oder Anzeichen, die eine Leberschädigung vermuten lassen, sollten Leberfunktionstests durchgeführt werden. Bestätigt sich der Verdacht auf Leberschädigung, sollte Cyproteronacetat in der Regel abgesetzt werden, es sei denn, der Leberschaden ist durch eine andere Ursache, z. B. Metastasen erklärbar. In diesem Fall sollte die Behandlung mit Cyproteronacetat nur fortgesetzt werden, wenn der erwartete Nutzen das Risiko aufwiegt.

Hinweis:
In seltenen Fallen sind nach der Anwendung von hormonellen Wirkstoffen, wie sie u. a. Androcur enthält, gutartige, noch seltener bösartige Veränderungen an der Leber beobachtet worden, zu denen möglichen Komplikationen lebensgefährliche Blutungen in die Bauchhöhle gehören können. Deshalb ist der Arzt zu informieren, wenn ungewohnte Oberbauchbeschwerden auftreten, die nicht von selbst bald vorübergehen. Gelegentlich kann Androcur zu einem Gefühl der Kurzatmigkeit führen.

Wechselwirkung mit anderen Mitteln
Der Bedarf an Arzneimitteln gegen Diabetes (mellitus) kann sich erhöhen.

Unter dem Betreff "Nebenwirkungen von Androcur" fragte Kiki am 29.2.2004:
Mein Schwiegervater nimmt seit ca. einem Jahr Androcur hochdosiert. Es gab in dieser Zeit eine Phase, in der er psychisch sehr instabil war. Diese ist erst einmal vorüber, nun wird er aber körperlich mit den Nebenwirkungen der Tabletten nicht fertig. Er kann sich kaum noch aufraffen, etwas zu machen.
Wie reagiere ich als Angehörige darauf, dass er mir sagt, dass er körperlich nicht mehr kann.
Wenn ich versuche, ihm zuzureden, doch etwas zu machen, habe ich das Gefühl ihn unter Druck zu setzen, auf der anderen Seite denke ich, dass ich ihn fordern muss, damit er aus seinem Loch kommt.
Ich weiß nicht, wie ich ihm helfen kann und soll.
Jürg meinte am selben Tag:
Neben Androcur gibt es auch noch andere Antiandrogene mit grundsätzlich gleicher Wirkung. Dazu gehören Flutamid und Casodex. Casodex ist zwar teuer, soll aber die geringsten Nebenwirkungen haben. Dein Schwiegervater sollte also mit seinem Arzt sprechen und einen Versuch mit einem anderen Androgen machen.
Doch Ludwig korrigierte ihn einen Tag später:
Nicht ganz exakt, lieber Jürg, Androcur ist ein steroidales Antiandrogen, greift in den Hormonhaushalt des ganzen Körpers ein, macht den Mann halb zur Frau.
Dagegen sind Casodex und Flutamid nichtsteroidale Antiandrogene und wirken fast nur auf die Androgenrezeptoren der Prostata.
Androcur hat ähnliche Auswirkungen auf den Gesamtorganismus wie Enantone oder Zoladex, also "unsere" Spritze.
Und die habe ich noch gut als körperlich schwächend in Erinnerung.

Ralf schrieb am 28.10.2004:
wir haben in der Vergangenheit hier im Forum schon ein paarmal darüber gegrübelt, ob im Zuge einer DHB Androcur eine Alternative zum teuren Casodex und zum nebenwirkungsreichen Flutamid sein könnte, und wussten es nie so recht. Heute fand ich im p2p-Forum zumindest Dr. Strums Meinung dazu:
"I am not a big fan of Androcur (cyproterone acetate or CPA). I do not find it as effective as Flutamide or Casodex." [Ich bin kein großer Freund von Androcur (Cyproteronazetat oder CPA). Es erscheint mir nicht so wirksam wie Flutamid oder Casodex].
Ich weiß, dass manche derer, die es verwenden, trotzdem mit der Wirksamkeit zufrieden sind.
Dazu schrieb Dieter V. einen Tag später:
Androcur ist ein steroidales Antiandrogen und ähnelt dem weiblichen Geschlechtshormon Gestagen. Es hat eine Wirkung, mit der sowohl der Testosteron-Spiegel abgesenkt wird als auch eine Androgenblockade erfolgt. Nebenwirkungen: Gewichtszunahme und Risiko Gefäßverschlüsse.
Ich habe in meiner Gruppe einen Mitstreiter, der in der DHB trotz Zoladex im Testosteron nie unter 3,0 gekommen ist, aktuell bei 5,9 trotz Blockade. Ich habe ihm geraten, den LH-Spiegel zu bestimmen.
Er hat zwischendurch einmal Cyproteronazetat (Androcur) genommen, und da war der Testo-Spiegel sehr schnell nahe Null! Leider hat er dies nicht weiter genommen, ich meine, in diesem Falle wäre es für ihn gut gewesen.
Ansonsten bin ich wegen der östrogenen Wirkung auch eher skeptisch gegenüber Androcur.
Die nichtsteroidalen Antiandrogene Casodex (und Flutamid) senken den Testosteronspiegel nicht. Im Gegenteil: Testosteron wird durch die Testosteron-Blockade an den Prostata-Zellen und Prostatakrebszellen noch erhöht (Signale dieser Zellen an die Hypophyse: "wir bekommen zu wenig Testosteron, bitte mehr produzieren!").
Auch Urologe fs äußerte sich an diesem Tag zu dem Thema:
das Androcur hat dort seine Berechtigung, wo man an ARM [Androgenrezeptorenmutation – Ed] denkt, oder wenn unter HB2 oder HB3 das PSA nicht fällt.
Dann ist ein Versuch gerechtfertig, mit Androcur den T-Level auf Null zu bringen, um zu sehen, ob wirklich ein androgenunabhängiger Tumor vorliegt.

wernert fragte am 1.6.2006:
In welchen Fällen werden bei der Hormontherapie
1. steroidale Antiandrogene (z. B. Androcur )
und wann
2. nicht-steroidale Antiandrogene ( z. B. Flutamid oder Casodex )
eingesetzt?
Einige Forumsteilnehmer hatten unterschiedliche Antworten auf diese Frage, aber Urologe fs beantwortete sie am 5.6.2006 abschließend:
die Auswahl des Antiandrogenes hängt in erster Linie vom Risikoprofil des Patienten ab. Danach werde ich zweitens abwägen, welches Medikament am besten zu dem Patienten passt (unter dem von Außen auferlegtem Gebot der Wirtschaftlichkeit).
Auch Wünsche des Patienten sollten Berücksichtigung finden (z. B. erhaltene Erektion). Nartürlich hätte es eine Firma wie AstraZeneca gerne (daher die Studien), wenn jeder PK-Patient, auch der radikal Prostatektomierte, Casodex 150 für 10 Jahre nähme (EPC-Programm), aber das ist weder sinnvoll noch wirtschaftlich zu vertreten (würde etwa 1,5 Milliarden!! pro Jahr kosten). Also versucht man eine Balance aus Risikoprofil/Wunsch des Patienten/Kosten zu erreichen.



GnRH-Analoga

Östrogen

Estradiol

Flutamid

Bicalutamid

Cyproteronacetat


Gynäkomastie

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Hitzewallungen

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Impotenz

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Thrombose

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Osteoporose

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