Der Extrakt aus dem
Prostatakrebs-Forum
von KISP
und BPS
Neuroendokrine
Tumoren (NETs)
- [Neuroendokrine
Tumoren sind seltene, in der Regel langsam wachsende Tumoren, die
häufig nicht von einem bestimmten Organ ausgehen, sondern auf
der Entartung von neuroendokrinen Zellen beruhen. Eine besondere
Eigenschaft dieser Tumoren kann die Ausschüttung von Hormonen
(Botenstoffen) sein. Je nachdem, ob Hormone in wesentlichen Mengen
abgegeben werden, können unterschiedliche Symptome auftreten
(aus einem umfangreichen Text auf der Webseite
des "Netzwerks Neuroendokrine Tumoren (NeT e. V.)) –
Ed]
- Bernd
D. fragte am 7.12.2010 unter dem Betreff "ADT bei erhöhtem
CGA-Wert":
-
Obwohl ich bereits
seit Frühjahr 2007 ein aggressives PCa habe (pT4, GS 4+5,
cM0-nicht operiert), melde ich mich heute im Forum zum ersten Mal;
ich hatte aber bereits Kontakt per Mail/Telefon mit Helmuth2,
Burger, W. Frost u. a. und erhielt manchen guten Rat. Dafür
vielen Dank.
-
Nach meiner bisherigen
Therapie – ca. ein Jahr ADT, IMRT (77 Gray), ab April 2008
Intermittieren (bis heute) – gibt es bei mir seit Oktober '09
einen kontinuierlichen PSA-Anstieg (von 0,005 ng/ml über
0,008-0,015-0,023-0,056 auf nunmehr 0,067 ng/ml – alles
unter Avodart).
-
Nun mein Problem: Da
ich seit Kankheitsbeginn immer erhöhte CGA-
und NSE-Werte hatte (CGA trotz
Intermittierens mit 88 ng/ml nur einmal im Referenzbereich,
sonst schwankend bis 293 ng/ml, momentan 117 ng/ml),
fürchte ich eine eventuelle weitere neuroendokrine Entwicklung,
wenn ich ab Mitte Januar '11 wieder, wie von meinem Urologen
empfohlen, mit der ADT beginnen soll (Casodex 150 mg).
-
Ich frage Euch: Könnte
ich trotz des PSA-Anstiegs noch zuwarten (mein momentaner Wert ist
sicher auf Grund der Biologie meines Krebses nicht sehr
aussagefähig)?
-
Wie könnte ich
trotz des noch niederen PSA-Wertes ein bestimmt vorhandenes Rezidiv
sichtbar machen, um es gezielter zu therapieren?
-
Könnte eventuell
auch Avodart einen CGA-Anstieg bewirken?
-
Bernd D. ergänzte
am 9.12.2010:
-
Es ist deprimierend,
dass die niedergelassenen Ärzte und auch Onkologen über
neuroendokrine Zellen im Prostata-Bereich wenig wissen und dazu
tendieren, auf einen Progress mit ADT zu reagieren. Selbst
Dr. Eichhorn war
der Meinung, mein spezielles Problem werde erst dann relevant, wenn
der Krebs kastrationresistent ist. Ich muss aber alles tun, um eine
solche Resistenz zu verhindern, nur so kann ich Lebenszeit gewinnen.
-
Prof.
Bonkhoff riet mir bei einem Telefonat, ich solle z. B.
versuchen, die NE-Zellen medikamentös zu behandeln
(Sandostatin), aber wie kommt man als Kassenpatient da heran? Weiß
jemannd, welche anderen Diagnose-bzw. Therapieoptionen es noch gibt?
-
Heribert hatte am
selben Tag immerhin den folgenden Tipp:
-
Um Dich mit der
Materie noch tiefer zu beschäftigen, könnte Dir das
Netzwerk Neuroendokrine Tumoren (NeT) e. V. weiterhelfen:
-
http://www.glandula-net-online.de/cms/front_content.php
-
Die Novartis-Studie:
-
http://www.klinischestudien.novartis.de/forschung_entwicklung/klinische_studien/net/csom230c2303.shtml
-
Und marsjürg
schrieb am selben Tag:
-
Nach den bei mir
gemessenen Werten von CGA und NSE bin ich zu dem Schluss gekommen,
diesen keine erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, zumal
von seiten der Uros auch keine hilfreichen Kommentare zu erhalten
waren. Hier die Werte:
-
Datum CGA ng/ml NSE
-
12/04 291/10,5
-
03/05 355/nicht gemessen
-
09/06 127/nicht gemessen
-
07/07 174/11,0
-
06/08 81/8,8
-
07/09 128/9,5
-
Der Höchstwert
[des
CGA – Ed] war
03/05 mit 355 ng/ml. Für den Rückgang auf 81 konnte keine
Erklärung gefunden werden. Ich habe keine Therapie gemacht. Bei
einer Rebiopsie 06/2007 hatte Bonkhoff erstmalig 4 CGA positive
Zellen gefunden. Bcl-2 negativ, MIB-1,5%.
-
Ich denke, solange NSE
und CGA nicht ständig ansteigen, sollte man die Werte gelassen
beobachten.
- Johannes
R. fragte am 2.4.2014:
-
Ich
habe einen Prostatakrebs (Gleason 5+5), der einen starken
neuroendokrinen Anteil hat. Das gibt es sehr selten. Nach Chemo,
Operation und Bestrahlung sowie Therapie mit Zoladex meldet er sich
zurück. Kennt sich jemand mit diesem Krebs aus bzw. kann
weitere Hilfe geben?
-
Auf
Anfrage ergänzte Johannes R. am 5.4.204:
-
Ich
habe ein sehr seltenes partiell neuroendokrin differenziertes
Prostatakarzinom (ypT3, ypN1 (7/14) LO, VO, Pn1, R1, cM1 (oss), iPSA
5,17 ng/ml, Gleason 5+5 (10), wenig differenziert
-
-
Z. n. Hormontherapie mit Zoladex und XGEVA
- Z. n. 2
Zyklen Ce / Carboplatin/Etoposid
- 01/12 PSA O,97 ng/ml
-
02/ 2012 radikale OP + Lymphonodektomie
- 04-06/12 adj.
Strahlentherapie der ehemaligen Prostataloge bis 59,4 Gy/ED 1,8Gy,
der Beckenlymphknoten bis 45 Gy sowie des ossären Befundes im
LWK 5 bis 45 Gy IMRT in VMAT-Technik, regelmäßige
Feldkontrollen mittels Cone-Beam-CT. -
PSA
seitdem unter O,03 ng/ml, aber 20. Februar 2014: 0,033 ng/ml
,sukzessiv steigende Werte von Chromogranin A - zuletzt 967, NSE im
Normbereich
-
- 04/2014
Glucose-Pet-Ergebnis steht noch aus.
-
Alter:64,erkrankt
05/2011, BMI 29,3 ,kein Diabetes, Cholesterin u. Blutdruck normal,
aktuelle Situation:leichte Knochenschmerzen und belastet durch
Unsicherheit über weitere Therapie, insbesondere wie man den
neuroendokrinen Teil des Krebses therapieren soll.
-
LudwigS
fragte am selben Tag zurück:
-
CGA
ist ein unspezifischer Marker und kann auch bei Nierenerkrankungen –
Stichwort Kreatinin – vielfach erhöht sein. Aber das ist
sicher schon ausgeschlossen worden – nehme ich an.
-
Was
Johannes R. am 6.4.2014 bestätigte:
-
Ja,
das wurde ausgeschlossen, Nieren sind o.k.
-
Am
7.4.2014 antwortete Urologe fs:
-
Bei
neuroendokrinem Tumor sollte eine Ga68-DOTATATE-PET durchgeführt
werden. Sind positive Herde auszumachen, kann mit Lu177-DOTATATE
eine Therapie gemacht werden, => s. entsprechende Links
-
Außerdem
ist bei entsprechendem Nachweis eine Behandlung mit
Somatostatin-Analoga möglich.
-
- http://www.ksa.ch/1443/2570/4029/5676.asp
- http://www.thno.org/v02p0448.htm
- https://www.researchgate.net/publication/228331615_THERANOSTICS_From_Molecular_Imaging_Using_Ga-- 68_Labeled_Tracers_and_PETCT_to_Personalized_Radionuclide_Therapy_-_The_Bad_Berka_Experience
http://www.nuklearmedizin-spitalerhof.de/leistungen/patienteninformationen/pet_ct_mit_ga_68_dotatate_bei_neuroendokrinen_tumoren.html
-
Am
selben Tag antwortete auch LowRoad sehr ausführlich:
-
OK
Johannes, jetzt wissen wir etwas mehr. Ich fasse mal zusammen:
-
1.
05-2011 Diagnose (erkrankt sicher früher)
aPSA
5,2 ng/ml, partiell neuroendokrin differenziertes
Prostatakarzinom cT3?, Gleason 5+5,
Therapie einfache
Hormonentzugstherapie (ADT1) + XGEVA (Denosumab 120 mg/4wks)
2 Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Etoposid
2.
02-2012, radikale OP: cT3?, N1(7/14) LO, VO, Pn1, R1, M1b (LWK5)
RT Prostatloge (60 Gy) Lymphabflussbahnen (45 Gy) LWK5
(45 Gy)
PSA ~0.03ng/ml, CGA 967ng/ml NSE Normbereich
(?)
kein Diabetes, Cholesterin u. Blutdruck normal -
Du
bist demnach jetzt etwa drei Jahre dabei, und hast schon diverse
aggressive Therapien hinter dir. Dein Tumor scheint eine relativ
seltene und ungewöhnliche Pathologie zu besitzen, er ist weder
primär kleinzellig/neuroendokrin noch ein gewöhnlichen
Adenokarzinom. Eher ein Mischform, wobei die Angabe der Anteile der
beiden Sorten leider fehlt! Ebenso fehlt das genaue Staging, also
T3a (Kapselüberschreitend) oder T3b (dito + Samenblasenbefall).
Auch hast du uns nicht wissen lassen, wie die ossäre
Metastasierung diagnostiziert wurde (M1b). Ich schätze mal,
durch Technetium Knochenszintigraphie (Bone-Scan), da dies das
übliche Verfahren ist. Die Sensitivität ist eher gering,
die Spezifität aber hoch. Bei Knochenmetastasen kann man meist
davon ausgehen, dass diese nicht solitär auftreten. Trotzdem
lohnt sich oft eine Bestrahlung weniger Metastasen, wobei
neuroendokrine Tumoren leider schlecht auf eine RT ansprechen! Was
wir nicht wissen ist, ob es sich um osteolytische (knochenabbauende)
oder osteoplastische (knochenaufbauende) Metastasen handelt! Das
wird üblicherweise im Anschluss an ein positiven Bone-Scan
mittelt CT (Cat-Scan) gemacht. Hast du hier Informationen?
-
Im
Therapieverlauf werden die Knochenmetastasen dann weiterhin
regelmäßig bildgebend kontrolliert. Ist das bei dir
gemacht worden?
-
Wegen
der Knochenschmerzen solltest du deinen Onkologen darauf ansprechen,
das sollte nicht sein. Ich sehe oft gute Ergebnisse bei Einsatz von
Fentanylpflastern.
-
Neuroendokriner
Prostatakrebs ist ein tückisches Geschehen, was einer ganz
komplizierten Diagnostik,Therapie und Begleitung bedarf. Du hast uns
jetzt noch nicht mitgeteilt, ob du eher der Typ Patient bist, der
sich von einem Arzt, dem er vertraut, leiten lässt, oder von
Forschergeist getrieben das Heft in der Hand behalten will.
Standard-Of-Care würde wohl wieder auf eine Platin-gestützte
Chemo hinauslaufen. Was man sonst noch alles machen könnte, hat
unser Forumsurologe fs ja schon angedeutet, und ich will das durch
ein Paper von Dr. Myers [Dr. Charles
"Snuffy" Myers, ein US-amerikanischer Hämatologe/Onkologe
und selbst Prostatakrebs-Patient- Ed] ergänzen,
welches er vor ein paar Jahren rumgeschickt hat. Meiner Meinung nach
wird der Sachverhalt hier ganz gut aufgearbeitet:
-
--------------------------------------------------------------------
-
Neuroendokrine
Zellen kommen in den normalen Prostatazellen vor, wo sie eine Reihe
von Hormonen wie Serotonin, Bombesin und Calcitonin produzieren.
Allerdings wissen wir nicht, welche Rolle in der normalen
Prostata-Biologie diese neuroendokrinen Zellen spielen. Im normalen
Adenokarzinom der Prostata sind neuroendokrine Zellen fast immer in
der gesamten Masse des Krebses verstreut aufzufinden. In dieser
Eigenschaft produzieren die neuroendokrinen Zellen kein PSA, wachsen
nicht und besitzen auch keinen Androgen-Rezeptor. Im Reagenzglas
konnte gezeigt werden, dass, obwohl die neuroendokrinen Zellen
selbst nicht wachsen, Hormone durch diese Zellen produziert werden
können, die das Wachstum der Adenokarzinomzellen anregt. Es
wurde berichtet, dass in entnommenem Prostatakrebsgewebe, die
Zellen, die sich in der Nähe der neuroendokrinen Zellen
befanden, schneller wuchsen als solche, die eine größeren
Abstand zu den NE-Zellen hatten. Es wird vermutet, dass die
neuroendokrinen Zellen "Kraftstoff" für die
Progression des Prostatakarzinoms sein könnten. In der Tat, je
größer der NE-Anteil der Krebsmasse zum Zeitpunkt der
Diagnose ist, desto schlechter ist die Prognose.
Serum-Chromogranin-A ist in der Regel der beste Marker zur Erkennung
von NE-Entwicklungen. Es gibt aber auch einige Hinweise, dass CGA
mehr als nur ein Marker ist. Wenn man beispielsweise CGA in
Zellkulturen hinzugibt, löst es die Bildung von Proteinen aus,
welche die Widerstandfähigkeit der Krebszellen gegen eine
Behandlung verbessern[1].
-
In
der Prostatakrebs-Forschung, gibt es bestimmte klassischen Studien,
die Probleme mit großer Klarheit definieren. Im Jahr 1991
haben Kadmon & Kollegen zeigen können, dass ein erhöhter
Chromogranin-A-Pegel die Entwicklung hin zur kastrationsresistenten
Erkrankung wahrscheinlicher machen. Außerdem konnte gezeigt
werden, dass einmal mit hormoneller Therapie begonnen, der
Chromogranin-A-Pegel zunächst anstieg, bei vielen Patienten
aber später wieder zurück in den normalen Bereich ging.
Wenn der Chromogranin-A-Spiegel erhöht blieb, oder wenn er erst
in späten Stadien der Hormontherapie anstieg, würde mit
hoher Wahrscheinlichkeit eine Kastrationsresistenz folgen. Diese
Beobachtung wurden wiederholt bestätigt[2].
-
Bis
hierher haben wir über die Auswirkungen der neuroendokrinen
Zellen diskutiert, die nicht selbst wachsen, die aber Wirkung auf
die Prostata-Adenokarzinom-Zellen haben. Im kleinzelligen
Prostatakarzinomen haben wir neuroendokrinen Zellen, die in der Lage
sind, schnell zu wachsen und sich ausbreiten. Auch diese Zellen
bilden sehr wenig oder gar kein PSA und besitzen wenige oder gar
keine Androgen-Rezeptoren. Manchmal können wir Chromogranin-A
und andere neuroendokrine Marker sehen, in vielen Fällen
exprimieren sie aber gar keine nachweisbaren Marker. Chris
Logothetis [Prof. Christopher J.
Logothetis, Leiter der Abteilung Urogenitale Onkologie am MD
Anderson Cancer Center, Houston, Texas – Ed] hat
die beste klinische Charakterisierung über diese Form von
Prostatakrebs veröffentlicht. Sie führten eine klinischen
Phase-II-Studie durch, in der er und seine Kollegen eine
Kombinations-Chemotherapie mit Doxorubicin, Etoposid und Cisplatin
testeten[3]. Sie beobachteten, dass sich diese Form von
kleinzelligem Prostatakrebs anders als die normale Form darstellt:
die PSA-Werte waren häufig niedrig und Knochenmetastasen waren
in der Regel knochenabbauend [osteolytisch] statt -aufbauend
[osteplastisch]. Ebenso konnte beobachtet werden, dass diese Form
von kleinzelligem Prostatakrebs oft in die Leber und/oder Lunge
metastasiert. Remission auf die Chemotherapie war von kurzer Dauer,
und die mittlere Überlebenszeit betrug 10,5 Monate.
Interessanterweise konnte dem Neuroendokrinen Marker CGA keine
Wertigkeit im Verlauf der Therapie zugewiesen werden.
-
Susan
Slovin hat neulich eine Übersicht verfasst, welche die Diagnose
und die Behandlung von neuroendokrinen Prostatakrebs am besten
zusammenfasst[4]. Einer der nützlichsten Punkte, den sie
hervorhebt, ist, dass das tatsächliche Verhalten von
neuroendokrinem Prostatakrebs äußerst variabel ist.
Während er in der Regel schlecht auf eine Hormontherapie
und/oder Chemotherapie reagiert und durch relativ kurzes Überleben
gekennzeichnet ist, reagieren manche Patienten gut auf die
Behandlung und haben eine lange Überlebenszeit. Das ist der
Punkt – Patienten sollten die Hoffnung nicht aufgeben, sondern
vielmehr die Behandlung fortgesetzt werden, da es eine Chance gibt,
sie könnten auch zu den Therapie-Ansprechern gehören und
davon profitieren.
-
Dies
passt genau zu dem, was ich in meiner Praxis gesehen habe, wo es
einigen Patienten sehr gut geht. Bevor ich über neue
Behandlungsmöglichkeiten für diesen Patienten diskutiere,
sollte ich erst mal besprechen, welche Ursachen die Bildung von
neuroendokrinen Zellen hat. Ich werde dann meine Diskussion auf
dieser Basis führen.
-
Der
erste echte Hinweis auf die Entstehung dieser Zellen stammt aus
einem Papier von Jane Trepel und Kollegen aus 1994 vom National
Cancer Institute[5]. Diese Gruppe zeigte, dass eine Chemikalie
namens zyklisches AMP (cAMP) dazu führt, dass
Adenokarzinomzellen der Prostata sich in neuroendokrine Zellen
umzuwandeln. cAMP wird innerhalb von Zellen als Reaktion auf eine
Reihe von Hormonen und Wachstumsfaktoren gebildet. Nachfolgende
Studien haben gezeigt, dass Hormone und Zytokine, die cAMP
induzieren, auch den Schalter betätigen, der aus Adenokarzinom-
neuroendokrine Zellen werden lässt. Darüberhinaus ist
dieser Schalter reversibel. Der nächste Schritt war es
festzustellen, wie cAMP dieses Umschalten auslöst. Meine
Nachbarn an der University of Virginia, Dres. Parsons und Cox, boten
eine Antwort. Proteinkinase-A ist ein bekanntes Ziel der
cAMP-Wirkung, cAMP aktiviert diese Kinase. Parsons und Cox
übertrugen eine Form der Proteinkinase-A, die auch ohne cAMP
aktiv ist, in Prostatakrebs-Zellen, und die Prostatakrebszellen
wurden neuroendokrine Zellen. Sie haben zeigen können, dass
diese Vermischung neuroendokriner Zellen mit Adenokarzinomzellen der
Prostata das Wachstum des Krebses beschleunigt, vor allem nach
Androgenentzug. Seit Proteinkinase A intensiv auf seine Auswirkungen
auf die Krebszell-Biologie untersucht wird, ist der Rest der
wissenschaftlichen Grundlagen jetzt klar.
-
Es
gibt noch einen zweiten Signalweg, der von neuroendokrinen Zellen
der Prostata gegangen werden kann, um sich weiterzuentwickeln.
Wachstumsfaktoren sind der Schlüssel zum Wachstum: ein Mangel
daran kann zu Zwergenwachstum führen und Überschuss kann
bei Menschen zu Riesenwachstum führen. Wachstumshormone agieren
in der Regel nicht direkt. Stattdessen regen sie die Leber zur
Produktion von Insulin-like-Growth-factor-1 oder IGF-1 an, das dann
verantwortlich für ist viele der Auswirkungen der
Wachstumsfaktoren auf den Körper. IGF1 wirkt durch Bindung an
einen Rezeptor auf der Zelloberfläche, und dieser aktiviert
einen Signalweg von Proteinen innerhalb der Zelle, die das Wachstum
kontrollieren. Eine große und wachsende Evidenz zeigt, dass
IGF1 an der Entwicklung und dem Fortschreiten von Prostatakrebs
beteiligt ist. Insbesondere IGF-1 und die dazugehörenden
Proteine in der Zelle werden im Zusammenhang mit der Entwicklung von
hormonresistentem Prostatakrebs gesehen. Es stellt sich heraus, dass
der IGF-1-Signalweg innerhalb der Krebszelle aktiviert werden muss,
damit cAMP und Proteinkinase-A die Umwandlung von
Prostatakrebszellen zu neuroendokrinen Zellen veranlasst. Da sich
gezeigt hat, dass der IGF-1-Signalweg in vielen Krebsarten von
Bedeutung ist, sind umfangreiche Forschungsanstrengungen im Gange
bei der Suche nach einem Medikament das diesen Weg blockieren
könnte.
-
Mit
dem Wissen, was wir tun könnten, um die Bildung neuroendokriner
Zellen zu beeinflussen, würde es logisch erscheinen, diese
Zellen durch die Blockierung der IGF-1- und/oder cAMP-Wege
anzugreifen. Dieser vielversprechende Ansatz könnte es uns
ermöglichen, die neuroendokrinen Zellen zur Rückentwicklung
zu Prostata-Adenokarzinomzellen zu zwingen, um dann mit einer
Standard-Prostatakrebs-Behandlungen anzugreifen. Tatsächlich
haben Versuche in dieser Richtung bereits stattgefunden.
Somatostatin ist ein natürlich vorkommendes Hormon, das die
Produktion von Wachstumshormonen blockiert. Sandostatin®
ist ein Medikament, das Somatostatin imitiert; im weit verbreiteten
Einsatz bewirkt es das Abschalten der Wachstumshormonproduktion, und
damit der Bildung von IGF-1. Sandostatin® wurde bei
der Behandlung von kastrationsrefraktärem Prostatakrebs
eingesetzt. Außerdem wurde berichtet, dass es die Produktion
von Chromogranin-A unterdrückt, und das funktioniert ganz gut.
Nach meiner Erfahrung, sinkt das Chromogranin-A innerhalb eines
Monats nach der ersten Injektion von Sandostatin®
immer in den Normbereich, unabhängig davon, wie weit
Chromogranin-A zuvor erhöht war. Diese Ergebnisse bestätigen
das Wissen, was wir bezüglich der Wirkung von Sandostatin®
haben. Der CGA-Abfall steht im direkten Zusammenhang mit einer
Umkehrung der neuroendokrinen Transformation im Adenokarzinomen der
Prostata. Ein großes Problem ist aber, dass wir keine
überzeugende Bestätigung durch Biopsie haben, dass dies
tatsächlich passiert ist, und bis dies bewiesen ist, kann es
auch sein, dass Sandostatin® nur die Produktion und
Freisetzung von Chromogranin-A unterdrückt. Aber auch das wäre
nicht so schlimm, denn es konnte gezeigt werden, dass Chromogranin-A
das Überleben von Prostatakrebszellen in Gewebekultur unter
Behandlung verbessert.
-
Andere
Medikamente, die auf den IGF1-Signalweg zielen, werden entwickelt
und getestet. Von Celebrex® wurde berichtet, dass es
das Wachstum von Prostatakrebs durch Blockierung von Akt, ein früher
Schritt in diesem Stoffwechselweg, verlangsamt. Rapamycin blockiert
mTOR, eine ziemlich späte Stufe auf diesem Weg: dieses und
ähnliche Medikamente befinden sich in der Testphase gegen
Prostatakrebs und andere Krebsarten. Eine mögliche Strategie
könnte sein, Medikamente, wie Sandostatin® mit
Celebrex® zu kombinieren, um an verschiedenen Punkten
entlang dieses Weges einzugreifen. Es ist eigentlich relativ
einfach, eine Behandlungsstrategie für neuroendokrinen
Prostatakrebs zu skizzieren. Allerdings sind die tatsächliche
Gestaltung und die Durchführung klinischer Studien in diesem
Bereich recht schwierig.
-
Schon
zuvor hatte ich auf das Review dieses Bereiches von Dr. Slavin
hingewiesen. Ein wirklich ausgezeichneter Aspekt in Slavins Kritik
ist, dass sie eindeutig beschreibt wie unterschiedlich der klinische
Verlauf dieser Patienten ist. Diese Variabilität macht es
schwer, gute klinische Studien zu entwerfen oder die Ergebnisse
klinischer Studien zu bewerten. Unabhängig von der Behandlung
werden einige Patienten einen sehr guten und andere einen schlechten
Verlauf zeigen. Aber hat die Behandlung diesen Unterschied
verursacht? Die klassische Lösung für dieses Problem wäre
es, Patienten in einzelne Untergruppen entsprechend ihrer Prognose
einzuteilen. Dabei wäre es relativ leicht, die mit
kleinzelligem Karzinom der Prostata und die mit einem Adenokarzinom
der Prostata mit einer großen Anzahl von neuroendokrinen
Zellen zu trennen. Allerdings werden nur sehr wenige Institutionen
genug kleinzelliges Karzinom der Prostata aufweisen, um
aussagekräftige klinische Untersuchung vornehmen zu können.
Unter den Patienten mit einer großen Anzahl von
neuroendokrinen Tumorzellen und einem erhöhten
Chromogranin-A-Wert ist der klinische Verlauf so variabel, dass es
schwer ist vorherzusagen, wie sich die Erkrankung entwickelt.
-
An
dieser Stelle möchte ich gerne einige zusätzliche
Komplikationen erwähnen, die Sie kennen sollten. Unabhängig
vom Prostatakrebs können andere Erkrankungen den
Serum-Chromogranin-A Wert erhöhen. Lungenkrebs kann auch den
Serum-Chromogranin-A Wert erhöhen, ebenso wie neuroendokrine
Krebserkrankungen anderer Organe. Dann haben wir noch das Problem,
dass bestimmte Medikamente den Chromogranin-A-Wert dramatisch
erhöhen können. In meiner Praxis sind die häufigsten
Verursacher die Protonenpumpenhemmer (in DE: z. B. Omeprazol,
Esomeprazol, Pantoprazol,...), die verwendet werden, um
gastroösophagealen Reflux [Rückfluss
von Magensäure in die Speiseröhre – Ed]
zu behandeln. Diese Medikamente erhöhen möglicherweise
den Serum-Chromogranin-A Wert bei Patienten ohne Prostatakrebs.
Somit könnte eine Erhöhung bei Prostatakrebspatienten auch
diese Ursache haben. Die Serum-Chromogranin-A Werte fallen in der
Regel schnell ab, sobald die Protonenpumpenhemmer abgesetzt werden.
-
Ein
Patient, der das Protonenpumpenhemmer-Phänomen beispielhaft
veranschaulichen kann, hatte einen Gleason Score von 4+3 = 7 und
wurde zwischen Februar und März 2003 mit radikaler
Prostatektomie und einer adjuvanten Bestrahlung behandelt. Im Juli
2004 begann er mit dreifacher
Hormonblockade und blieb bis zum Juli 2005 dabei. Zu diesem
Zeitpunkt wurde die Hormonblockade beendet und er wurde auf
Avodart-Erhaltungstherapie
gesetzt, um ein Wiederauftreten des Krebses zu blockieren oder zu
verzögern. Während des Sommers 2006 nahm der Patient einem
Protonenpumpenhemmer ein, als Informationen über ihre
Auswirkungen auf Chromogranin-A verfügbar wurden. Aus diesem
Grund haben wir seinen Chromogranin-A-Wert gemessen, der 12-mal über
Norm lag. Der Patient setzte den Protonenpumpenhemmer ab, und der
Chromogranin-A-Wert normalisierte sich, aber in der Folge zeigte
sich ein kleiner Anstieg über den Normwert. Dieser Patient ist
jetzt seit fast drei Jahren in der Hormontherapie-Pause mit einem
PSA unter 1 ng/ml und ohne Anzeichen von rezidivierender
Erkrankung. Dieser Fall zeigt die Tatsache auf, dass erhöhte
Protonenpumpenhemmer-induzierte Chromogranin-A-Werte nicht die
Progression von Prostatakrebs beschleunigen. Es ist jedoch wahr,
dass es schwer ist festzustellen, wann der Prostatakrebs eines
Patienten Chromogranin-A exprimiert.
-
Was
sollten Sie tun, wenn Sie einen Prostatakrebs mit neuroendokriner
Entartung haben? Dies sind keine häufigen Krebserkrankungen,
und die angemessene Behandlung ist noch nicht definiert worden. Eine
Möglichkeit wäre, eine Zweitmeinung entweder vom
Memorial-Sloan-Kettering oder MD-Anderson zu bekommen, da beide
recht ausführlich über die klinische Behandlung dieser
Krankheit publiziert haben. Bei uns in der Praxis (AIDP), habe ich
spezielles Interesse an der Behandlung von neuroendokrinem
Prostatakrebs ohne Chemotherapie. Stattdessen gilt meine ganze
Aufmerksamkeit der Beobachtung, dass Sandostatin®
neuroendokrine Zellen veranlassen könnte, sich zu
Prostata-Adenokarzinomzellen zurückzuentwickeln.
Laborergebnisse bieten die Möglichkeit, dass eine
Sandostatin®-basierte Behandlung bei dieser Form von
Prostatakrebs auch wieder die Hormon-Sensitivität herstellen
könnte.
-
----------------------------------------------------------------------------------
-
[1]
Ruoqian Shen: Attenuation of Apoptosis by Chromogranin A-Induced Akt
and Survivin Pathways in Prostate Cancer Cells
-
[2]
Tetsuro Sasaki: Changes in Chromogranin A Serum Levels During
Endocrine Therapy in Metastatic Prostate Cancer Patients
-
[3]
Christopher J. Logothetis: Results of a Phase II Study With
Doxorubicin, Etoposide, and Cisplatin in Patients With Fully
Characterized Small-Cell Carcinoma of the Prostate
-
[4]
Susan F Slovin: Does small-cell phenotype predict the natural
history of prostate cancer? A case study in disease behavior
-
[5]
O Sartor: Terminal neuroendocrine differentiation of human prostate
carcinoma cells in response to increased intracellular cyclic AMP
-
First,
the obligatory disclaimer: every guy's cancer is unique, so his
response to treatment will be unique as well. What happens to any of
us posting here will probably be different in some entertaining way
from what will happen to you.
-