Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Therapiearten – Schwerionenbestrahlung

Horst MUC schrieb am 28.4.2005:
Informationsdienst Wissenschaft - idw – Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Dr. Annette Tuffs, 28.04.2005 14:13
Schwere Ionen gegen Prostatakrebs
Erste Heidelberger Studie mit Ionenstrahlen / Bestrahlung bei Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI in Darmstadt / Heidelberger Ionenstrahlentherapiezentrum ab 2007 in Betrieb.
Im Juni 2005 beginnt die europaweit erste klinische Studie, die die Wirksamkeit der Ionenstrahltherapie (so genannte schwere Ionen) bei Patienten mit Prostatakrebs untersucht.
Die Studie unter Federführung der Abteilung Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Heidelberg wird in der Bestrahlungseinrichtung der Gesellschaft für Schwerionenforschung GSI, Darmstadt, durchgeführt. Die Bestrahlungsplanung und die weitere Betreuung der Patienten erfolgen in der Heidelberger Klinik (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Dr. Jürgen Debus).
An der Studie nehmen insgesamt 28 Patienten teil, die an lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs leiden, der noch keine Metastasen gestreut hat, aber aufgrund seiner lokalen Ausdehnung mit einem erhöhten Risiko für ein Therapieversagen nach konventioneller Therapie mit Bestrahlung oder Operation verbunden ist.
Zusätzliche Bestrahlung mit Ionenstrahlen zur Standardtherapie
"Die Patienten erhalten zunächst sechs Tage lang je eine Strahlenbehandlung mit schweren Kohlenstoff-Ionen", erklärt Professor Debus. Danach wird die Bestrahlung über sechs Wochen als "Intensitätsmodulierte Strahlentherapie" fortgeführt, die derzeit der Goldstandard bei der Strahlenbehandlung des lokal fortgeschrittenen Prostatakarzinoms ist. Sowohl die in Heidelberg entwickelte Methode der intensitätsmodulierten Strahlentherapie als auch die Kohlenstoffionentherapie ermöglichen eine äußerst zielgenaue und schonende Bestrahlung.
Die Heidelberger Mediziner erwarten jedoch, dass durch die Verwendung von Kohlenstoffionen bei der Bestrahlung von Prostatakarzinomen die Ergebnisse noch weiter verbessert werden könnten. "Erste japanische Studien zur Kohlenstoffionentherapie haben bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs bereits sehr gute Ergebnisse gebracht", berichtet Privatdozentin Dr. Daniela Schulz-Ertner, Oberärztin in der Heidelberger Radiologischen Klinik, die die Heidelberger Studie leitet.
Mehr als 80 Prozent der japanischen Patienten mit lokal fortgeschrittenem Prostatakrebs zeigten nach fünf Jahren keinen Rückfall der Erkrankung. Die Schwerionen werden über eine Beschleunigeranlage auf sehr hohe Geschwindigkeit gebracht und in den Tumor geschossen. Dort fügen sie dem Tumorgewebe irreparablen Schaden zu, schonen aber das umliegende Gewebe.
Die Heidelberger/ Darmstädter Bestrahlung hat einen wichtigen Vorteil gegenüber dem japanischen Verfahren: Sie benutzt das "intensitätsgesteuerte Rasterscan-Verfahren", mit dem Tumoren präzise mit einer vorgegebenen Dosis-Verteilung bestrahlt und das gesunde Gewebe um den Tumor noch stärker geschont werden kann.
Heilungschancen liegen über 70 Prozent
Auch die Ergebnisse der eigenen Bestrahlungsstudien ermutigen die Heidelberger Ärzte, die Bestrahlung mit Kohlenstoff-Ionen beim Prostatakrebs zu erproben. Bislang wurden mehr als 200 Patienten in der Darmstädter Anlage behandelt, die überwiegend an lokal begrenzten Tumoren, z. B. der Schädelbasis, litten, die anderen Behandlungsverfahren nicht zugänglich waren. Mehr als 70 Prozent der Patienten konnten geheilt werden.
Das Universitätsklinikum Heidelberg errichtet derzeit die europaweit erste Anlage zur Ionenstrahltherapie. Dort können ab 2007 jährlich ca. 1.000 Patienten behandelt und damit eine Versorgungslücke bei unbehandelbaren Tumoren geschlossen werden. Neben klinischen Studien zur Therapie von Kopf-/Hals- und Schädelbasistumoren, Weichteilsarkomen und pädiatrischen Tumoren mit Protonen und Kohlenstoffionen sollen auch weiterführende klinische Studien zur Bestrahlung beim Prostatakrebs durchgeführt werden. "Hierbei sollen die Heilungsraten nach einer Bestrahlung mit Kohlenstoffionen mit den Ergebnissen nach einer Protonentherapie oder aber einer intensitätsmodulierten Photonentherapie im Rahmen von klinischen Studien verglichen werden", sagt Frau Dr. Schulz-Ertner.
Weitere Information im Internet:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=251
www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=1165
Bei Rückfragen:
Professor Dr. Jürgen Debus, Telefon: 06221 / 56 82 01 (Sekretariat), E-Mail: juergen_debus@med.uni-heidelberg.de.
Literatur:
Schulz-Ertner D, Nikoghosyan A, Thilmann C, Haberer T, Jakel O, Karger C, Kraft G, Wannenmacher M, Debus J.: Results of carbon ion radiotherapy in 152 patients. Int J Radiat Oncol Biol Phys. 2004 Feb 1;58(2):631-40.
Schulz-Ertner D, Nikoghosyan A, Thilmann C, Haberer T, Jakel O, Karger C, Scholz M, Kraft G, Wannenmacher M, Debus J.: Carbon ion radiotherapy for chordomas and low-grade chondrosarcomas of the skull base. Results in 67 patients. Strahlenther Onkol. 2003 Sep;179(9):598-605.
(Die angegebene Literatur kann unter contact@med.uni-heidelberg.de angefordert werden).
Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=15.
Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Forschungsprojekte
Sachgebiete:
Medizin und Gesundheitswissenschaften
Weitere Informationen finden Sie unter http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=251, http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=1165, http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=15 – Pressemitteilung online.

Hutschi beschrieb am 23.2.2008 das Verfahren der Schwerionenbestrahlung:
Der Tumor wird mit Schwerionen beschossen, beispielsweise mit schweren Atomkernen des Kohlenstoffes. Die geladenen Partikel entstehen, wenn Kohlendioxid in eine Vakuumkammer strömt, und es dort Mikrowellen und Magnetfeldern ausgesetzt wird. Dabei verlieren die Atome des Gases ihre Elektronen und verwandeln sich in Ionen. Elektromagnetische Felder holen diese dann aus der Kammer heraus, bringen sie in einem Vorbeschleuniger auf Tempo und führen sie anschließend in einen ringförmigen Teilchenbeschleuniger – das sogenannte Synchroton. Dort reihen sich die Inen in einen Kreisverkehr ein und werden von großen Magneten auf bis zu drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Sobald sie den gewünschten Schwung haben, treten sie aus dem Synchroton aus, werden in Vakuumröhre zu den Behandlungsplätzen auf den Tumor des Patienten geleitet.
Das alles klingt so, als würde jede Menge Technik dahinter stecken – und genau so ist es auch. Der Aufbau des HIT [Heidelberger Ionenstrahl-Therapie Centrum – Ed] hat etwa hundert Millionen Euro gekostet. die zum größten Teil für den Ringbeschleuniger benötigt wurden. Er hat einen Durchmesser von 20 Metern und verbraucht so viel Strom wie eine Kleinstadt. Träger des Projekts ist das Universitätsklinikum Heidelberg, das die Finanzierung und den Betrieb des HIT übernimmt. Drei Kooperationspartner beteiligen sich weiterhin an der Entwicklung des Zentrums, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Gesellschaft für Schwerionenforschung Darmstadt (GSI) und das Forschungszentrum Rossendorf bei Dresden (FZD).
Anlagen für Ionenstrahl-Therapien gibt es zwar bereits in einigen Ländern. Doch zeichnet sich das HIT durch einige Besonderheiten aus. Zum Beispiel besteht in dem Heidelberger Zentrum die Möglichkeit, Patienten mit verschiedenen Ionensorten zu bestrahlen. Zur Wahl stehen Protonen, Helium-, Kohlenstoff- und Sauerstoffkerne - aus dieser Palette ergeben sich mehrere Therapiemöglichkeiten.
Außerdem ist das HIT die erste klinische Anlage auf der Welt, die das sogenannte "Rasterscan"-Verfahren für die Bestrahlung einsetzt. Es wurde von Forschern der GSI entwickelt und erprobt. Bei diesem Verfahren wird der Tumor Punkt für Punkt zerstört. Zunächst ermitteln die Mediziner mit einem Computertomografen, wie groß die Geschwulst ist, wo sie liegt und welche Form sie hat. Computerprogramme unterteilen den Tumor anschließend in digitale Scheiben und belegen jede Scheibe mit einem Netz von Bildpunkten Der Ionenstrahl folgt diesem Raster und beschießt jeden Punkt mit einer bestimmten, vorher berechneten Ionendosis. So zerstört der Strahl den Tumor Schicht für Schicht. Im Laufe der Rasterscan-Behandlung wird sowohl die Energie des Strahls – also das Tempo seiner Ionen – als auch seine Richtung verändert. Das Synchroton kann die geladenen Partikel auf unterschiedliche Geschwindigkeiten beschleunigen. Je nach Vorgabe dringen sie zwischen zwei und dreißig Zentimeter tief ins Gewebe ein. "Es ist sogar möglich, die Energie des Strahls im Sekundentakt zu ändern", sagt Thomas Haberer, wissenschaftlich-technischer Direktor des HIT. Die Richtung des Strahls wird von Magneten gesteuert. Dadurch lässt sich exakt vorgeben, wo die Teilchen den größten Teil ihrer Zerstörungskraft freisetzen.
Damit der Ionenstrahl punktgenau wirken kann, muss auch der Patient exakt ausgerichtet sein. Dafür ist im HIT ein automatisches Positionierungssystem zuständig. Der Patient liegt auf einem robotergesteuerten Behandlungstisch. Kunststoffschalen halten seinen Kopf, seinen Körper sowie Arme und Beine. "Dieses System ist weltweit einmalig, es regelt die Lage des Patienten so präzise, dass der Ionenstrahl auf einen Millimeter genau trifft", erläutert Wolfgang Schlegel, Leiter der Abteilung Medizinische Physik in der Strahlentherapie im DKFZ. Seine Forschergruppe hat wichtige Vorarbeiten für die Entwicklung des HIT geleistet.
Bevor die Bestrahlung beginnt, überprüfen die Ärzte mit Röntgengeräten die richtige Position des Patienten. Während dieser etwa fünfminütigen Voruntersuchung überwachen Sensoren 10.000 mal in der Sekunde, ob der Strahl genau sein Zielt trifft.Als weltweit einzige Anlage verfügt das HIT über ein drehbares Führungssystem für Schwerionen – eine sogenannte "Gantry". Dieses riesige, drehbare Gestänge ist 13 Meter hoch, 25 Meter lang und wiegt 600 Tonnen. Es trägt die Vakuumröhren und die Führungsmagnete für den Ionenstrahl. Wenn es um die eigene Achse rotiert, bewegen sich die Röhren mit. Die Anlage verformt sich dabei aber maximal um einen halben Millimeter. So kann der Patient aus jeder Richtung bestrahlt werden und der Ionenstrahl erreicht stets präzise sein Ziel. "Die Gantry ermöglicht uns zum Beispiel Hirntumore so zu beschießen, dass die Ionen nicht die empfindlichen Augen und Sehnerven durchdringen", sagt Schlegel.
Die Bestrahlung muss minutiös geplant werden: Wohin werden die Ionen geschossen und wie tief sollen sie in das Gewebe eindringen? Hierfür hat die Forschergruppe um Wolfgang Schlegel im DKFZ zusammen mit der GSI spezielle Cumputerprogramme entwickelt. "Unsere Software simuliert die Bestrahlung und ermittelt den günstigsten Ablauf", sagt Schlegel. Für jeden Patienten wird so anhand seines individuellen Befundes die optimale Vorgehensweise berechnet. Die Schwerionenbehandlung helfe vor allem solchen Patienten, deren Tumor kompliziert im Körperinnern liege oder dessen Zellen herkömmliche Strahlentherapien nur wenig anhaben können.