Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Therapiearten – Immuntherapie

[Der Gedanke ist bestechend: Das Immunsystems des Körpers so zu konditionieren, dass es Krebszellen als „Feinde“ erkennt und vernichtet. Die bisherigen Ergebnisse sind allerdings ernüchternd. – Ed]


Gerhard fragte am 17.1.2001:
PK-Historie
Dx: 6/2000; bPSA 21,4; PV 20; G1, Gleason Score 5
CT, Knochenszintigram 07/08/00 ohne Befund
TX 4/8/2000 AB3( Zoladex, Flutamid, Proscar)
04/09/2000 PSA 2,0
05/10/2000 PSA 0,5
01/11/2000 PSA 0,3
01/12/2000 PSA 0,5
mein Hausarzt (onkologisch tätig) hat mir begleitend zur 3-fachen Hormonblockade zu einer Immuntherapie geraten. Ich habe daraufhin einen Immunstatus machen lassen und erhalte darauf basierend zur Zeit: Wöchentlich eine Selen-Infusion, sowie je 2x wöchentlich Folsäure- und Thymusextrakt-Injektionen. Hat jemand Erfahrung mit der Stärkung des Immunsystems?
Uwe antwortete am 17.1.2001:
um ehrlich zu sein, ich halte von einer Immuntherapie gar nichts. Immun gegen Krebs, wie geht das? Ein alter, neuer Menschheitstraum! Wer ist nicht gerne immun gegen Krebs! Ich halte das ganz einfach für ein Geschäft! Der Arzt verdient, die Pharma-Industrie verdient! Ich habe noch keine klinische Studie gesehen, die beweist, dass Immuntherapie wirkt! Ich habe persönlich nach dem Kongress der Ges. für biologische Krebsabwehr, auf dem namhafte Ärzte Vitamin A, B3, C und Selen gepriesen haben, wie gut das gegen Krebs ist, einen Monat all die biologischen Präparate eingenommen. In genau den 28 Tagen ist mein PSA um 5,2 ng/ml gestiegen (in Worten: fünf Komma zwei). Ich habe die stressbiologischen Pillen sofort abgesetzt und in den letzten 28 Tagen ist mein PSA um 0,6 gestiegen. Ich glaube nicht, dass die biologischen Pillen schuld an meinem PSA-Anstieg waren, allerdings geholfen haben sie auch nicht! Quält Euch nicht mit Thymus, Mistel, Vitamin C+B3+A ich jedenfalls glaube nicht daran!!! Allerdings wer daran glaubt soll es einnehmen, Placebo hilft vielleicht.
Wil antwortete ebenfalls am 17.1.2001:
IMMUNSYSTEM

Ein starkes Immunsystem kann vielen Krankheiten vorbeugen, vielleicht sogar Krebs. Jedoch, wenn man schon Krebs hat, trägt das Immunsystem überhaupt nichts dazu bei, das Fortschreiten des Krebses zu verzögern. Denn die Krebszellen sind klug, lassen sich nicht vom Immunsystem erkennen.

Ich habe vor 7 Jahren, als ich schone Prostatakrebs hatte, mal einige Zeit Thymusspritzen gehabt, jedoch nicht zur Krebsbekämpfung. Schon 7 Jahre bis heute trinke ich Stutenmilch, ein viertel Liter täglich. In dieser Zeit bin ich sogar nicht mal mehr erkältet gewesen. Stutenmilch stärkt das Immunsystem, hat aber keinen Einfluss auf den Krebs.

SELEN

Studien ergaben, dass ein Selendefizit zum erhöhten Risiko auf Prostatakrebs führt. Dr. Larry Clark, bekannt für seine Forschung des Einflusses von Selen auf das Krebsrisiko hat epidemiologische Studien gemacht. Diese ergaben, dass bei Einnahme mit ausreichenden selenhaltigen Nahrungsmitteln sich das Risiko auf Prostatakrebs um 50 bis 75% verringert! Jedoch Selen in höheren Mengen ist schwierig aus Nahrungsmittel zu erhalten. Deswegen extra Einnahme von 200 mg Selen pro Tag. Eine tägliche Dosis von 200 mg ist ohne jede Gefahr und ist preiswert. Vitamin E und Selen unterstützen einander. Die Maximale Dosis von Selen liegt bei 400 mg pro Tag.

Es gibt die Vermutung, dass Selen einen günstigen Einfluss hat bei lokalem als auch einem systemischen Prostatakrebs.

ABER, warum eine Selen-Infusion? Das scheint mir ziemlich drastisch. Kann der Arzt auf wissenschaftliche Studien verweisen und auf eine "peer-reviewed"-Publikation? Ich denke doch nicht.

FOLSÄURE

Es wurde nie bewiesen, dass ein Überschuss (hohe Dosis) an Folsäure einen Antikrebseffekt hat. Ein Folsäuredefizit kommt nur selten vor. Andererseits ist bewiesen, dass Krebswachstum die Folsäure braucht. Es gibt sogar Antikrebsmedikamente (Methotrexat und 5-FU), deren Prinzip es ist, die Wirkung von Folsäure auf das Tumorwachstum zu verhindern. Dr. Myers, ein Prostatakrebsonkologe UND Spezialist in Diät und Nahrungsergänzungsmitteln für Prostatakrebspatienten, empfiehlt eine Beschränkung auf Vitamine, in denen Folsäure in der empfohlenen Dosis vorkommt. Nicht mehr.

NACHSCHRIFT

Ich bin völlig einverstanden mit dem, was Uwe schon geantwortet hat, speziell auch mit dem, was er über diesen Arzt schrieb. Dieser Arzt hat keine Ahnung von Prostatakrebs und er könnte mit seinem Getue Schaden anrichten.

Dr med. H. Wehner schrieb am 27.6.2001:
Sehr geehrte Leser in diesem Forum,
bei der Durchsicht interessanter Mitteilungen aus Ihrem Forum fiel mir auch ein bereits im Januar erschienener Beitrag von Herrn Uwe Peters in der Frage und Diskussion um die Immuntherapie auf. Dieser verdient, um nicht weitere Leser und Krebspatienten zu verunsichern, mehrerer Kommentare. Es steht jedem Menschen offen, von der einen oder anderen Therapie viel zu halten oder nichts. Von einer Situation, wie von Herrn Peters beschrieben: „Immun sein  gegen Krebs“ möchten wir sicherlich träumen, können dies jedoch nicht pauschaliert erwarten. Wenn es um die Förderung des Immunsystems geht, heißt das noch nicht, dass eine Immunität gegen Krebs erreicht wird. Dieser fromme Wunsch wäre dann sinnvoll, wenn man im wahrsten Sinne des Wortes immun gegen die Entstehung des Krebses, von dem der Betroffene befallen ist, werden könnte.
Bei der Immuntherapie von Krebspatienten geht es vor allem darum, die Mechanismen des menschlichen Organismus, die in der Lage sind, Krebszellen anzugreifen, zu forcieren. Diese Aufgabe obliegt dem Immunsystem. Dazu ist es zunächst erforderlich, die Tumorzellen zu erkennen und das Immunsystem zu befähigen, diese anzugreifen. Die ursprüngliche Immunstörung, die letztendlich dazu führt, dass die entartete Zelle nicht eliminiert wurde, gehört beim etablierten Krebsleiden leider der Vergangenheit an. Es ist sicherlich auch falsch und unsachlich mit Fingern zu zeigen nach dem Motto: „Der Arzt verdient, die Pharma-Industrie verdient!“ Dann könnte hier eine unendliche Liste vom Apotheker, bis über den Wissenschaftler, vom Forscher bis zum Physiker, der angewandte Therapien realisiert, aufgezählt werden.
Wer noch keine Studie gesehen hat, die über die Wirksamkeit der Immuntherapie Aussagen macht, hat sicherlich nicht korrekt recherchiert. Ehe man dann eine solche Behauptung ins Internet stellt, sollte zumindest eine umfangreiche Recherche erfolgen bzw. die benannten zitierten Experten danach befragt werden. Des Weiteren darf angemerkt werden, dass sicherlich derjenige irrt, der glaubt wenn er einen Monat Vitamine und Selen genommen habe, bereits gesund zu sein. Es ist auch keine Aussage über die Unwirksamkeit derartiger immunologischer Therapien, wenn genau in den beschriebenen 28 Tagen der Einnahme derartiger Medikationen der PSA um 5,5 ng/ml gestiegen ist. Auch bei anderen Tumorarten, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer diffusen, konventionell unkontrollierbaren Tumorprogression sind, kommt es zum Anstieg bei  Tumormarkern bis hin zu einigen1000 Parametern. Hierbei stellt sich doch die Frage, wie hoch wäre denn der Anstieg gewesen, wenn Herr Peters die Bemühungen um immunologische Verbesserung seines Organismus nicht betrieben hätte??
Nicht jede Zellteilung geschieht klassisch exponentiell oder linear. Auch der Tumor/der Krebs, der das biologische System Mensch befallen hat, unterliegt verschiedenen Einflüssen ebenso wie das menschliche System, welches versucht, den Tumor aktiv zu bekämpfen. Es ist auch keine Frage des Glaubens und deshalb sollte man es sicherlich nicht als allgemeine Empfehlung in das Internet stellen, dass sich Patienten nicht mit Thymus, Mistel und Vitaminen sowie anderen Substraten „abquälen sollen“. Erstens sind diese Maßnahmen mit Sicherheit keine Quälerei, was man nicht von jeder gegen Krebs eingesetzten Maßnahme behaupten kann. Zweitens gibt es zahlreiche Studien, die gerade über die Wirksamkeit und über die Mechanismen von Thymus, Mistel und Vitaminen Aussagen treffen. Gerne kann ich dazu die notwendigen Experten bei aufrichtigem Interesse benennen, die bei den einzelnen Aspekten mit zu den führenden Persönlichkeiten und wissenschaftlich arbeitenden Medizinern und Forschern gehören. Diese können dann die exakten Studien und Studienquelllen sicherlich aus erster Hand benennen. Einige davon habe ich bereits gelesen und muss deshalb diesem wilden Rundumschlag begegnen.
Dr. med. H. Wehner,
Ärztlicher Direktor der Gisunt-Klinik für Komplementäre Medizin sowie des 1. Nordwestdeutschen Hyperthermiezentrums Wilhelmshaven


Udo E. Schrieb am 19.3.2015 unter dem Betreff „G-BA-Beschluss zu Sipuleucel-T: „Anhaltspunkt für Zusatznutzen“:
Der Gemeinsamen Bundesausschuss öffnet die Tür zur Kostenerstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen für Sipuleucel-T (Immuntherapie mit Krebsimpfstoff) : [1]
Zusatznutzen gegenüber dem abwartenden Vorgehen unter Beibehaltung der bestehenden konventionellen Androgendeprivation:
Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen“
Nachdem der pharmazeutische Unternehmer im Stellungnahmeverfahren neue Daten nachgereicht hat, änderte das IQWIG seine ursprüngliche Bewertung der Ergebnisse zum Gesamtüberleben in einem Addendum u.a. mit folgender Begründung:[2]
Die Resultate zeigen, dass selbst bei Annahme eines starken Docetaxel-Effekts … der Behandlungseffekt von Sipuleucel-T noch statistisch signifikant ist. … Da von einem derart starken Effekt von Docetaxel nicht auszugehen ist, deuten diese Analysen darauf hin, dass der in der Studie IMPACT beobachtete Behandlungseffekt tatsächlich nicht (allein) durch die Gabe von Docetaxel erklärt werden kann.“…
Aber:
[Es] ist… nicht auszuschließen, dass die Patienten in den Kontrollgruppen der 3 Studien benachteiligt wurden, weil sie nach Behandlungswechsel eine abgewandelte Form des Sipuleucel-T erhalten haben. … Weil … ein Einfluss durch Begleitbehandlungen nicht sicher auszuschließen ist, kann das Ausmaß des Effekts nicht abschließend bewertet werden und ist damit nicht quantifizierbar. … Zusammenfassend gibt es damit einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen von Sipuleucel-T gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie, dem abwartenden Vorgehen unter Beibehaltung der bestehenden konventionellen Androgendeprivation für Patienten mit asymptomatischem oder minimal symptomatischem, metastasierendem (nicht viszeral), kastrationsresistentem Prostatakarzinom, bei denen eine Chemotherapie klinisch noch nicht indiziert ist.“
Auszüge aus den tragenden Gründen des G-BA-Beschlusses:[3]
Zusammenfassend wird aufgrund des hohen Verzerrungspotenzials und den Unsicherheiten, trotz Vorliegens von 3 Studien, die Aussagesicherheit insgesamt als nicht ausreichend für einen "Hinweis" eingestuft. Es ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit in Bezug auf einen Zusatznutzen von Sipuleucel-T im Vergleich zum abwartenden Vorgehen hinsichtlich des Gesamtüberlebens in der Kategorie „Anhaltspunkt“.“
Frist für Vorlage weiterer Studienergebnisse:
Erforderlich ist dabei der Nachweis des Zusatznutzens in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz. Unter Anlegung dieses Maßstabes erweist sich das vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegte Erkenntnismaterial als nicht hinreichend. Um mit der erforderlichen Sicherheit feststellen zu können, dass der lediglich auf Anhaltspunkten beruhende Zusatznutzen von Sipuleucel-T im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie als wissenschaftlich belegt angesehen werden kann, ist die Vorlage von weiterem wissenschaftlichen Erkenntnismaterial erforderlich. Es ist daher gerechtfertigt, den Beschluss zeitlich zu befristen bis weitere wissenschaftliche Erkenntnisse in Form einer wissenschaftlich einwandfrei geführten klinischen Studie vorliegen, die eine Bewertung ermöglichen, ob der Zusatznutzen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Diese weiteren wissenschaftlichen Erkenntnisse sollen insbesondere belastbare Aussagen zum Gesamtüberleben, zur Morbidität und zur Lebensqualität möglich machen. Hierfür wird insgesamt eine Frist von drei Jahren als angemessen erachtet.“
Die Patientenvertreter im G-BA haben nur Beratungs- und kein Stimmrecht. Sie sind außerdem zur Vertraulichkeit verpflichtet. Daher kann hier nur angedeutet werden, dass ihre Position sich nach der jeweiligen Datenlage richtete und während des gesamten Verfahrens einvernehmlich war. Sie unterstützten den o.g. Beschluss. Die Patientenvertreter hatten einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass die o.g. Frist für weitere Forschung zustande kam. Außerdem besteht für die Zukunft eine Chance auf verlässliche Studienergebnisse in den patientenrelevanten Punkten Gesamtüberleben, Morbidität und Lebensqualität.
[1] www.g-ba.de/informationen/nutzenbewertung/143/#tab/beschluesse
www.g-ba.de/downloads/39-261-2208/2015-03-19_AM-RL-XII_Sipuleucel-T_2014-10-01-D-139.pdf
[2] IQWiG-Berichte – Nr. 283, Sipuleucel-T, Addendum zum Auftrag A14-38; März 2015,
www.iqwig.de/download/A15-08_Addendum-zum-Auftrag-A14-38_Sipuleucel-T.pdf
[3] www.g-ba.de/downloads/40-268-3155/2015-03-19_AM-RL-XII_Sipuleucel-T_2014-10-01-D-139_TrG.pdf

Ralf schrieb am 5.3.2016 unter dem Betreff „Vielleicht ein Tipp für Männer unter Chemotherapie?“:

Am 2.3. gab es beim RBB eine Gesundheitssendung, die vielleicht wenig beachtet wurde – es ging um Krebs, auch um Prostatakrebs, mit einem Beispiel einer Spontanheilung. So etwas passiert einmal in einer Million Fällen. Was mich aber aufmerken ließ, ist ein Bericht über eine Studie, die am Immanuel-Krankenhaus in Berlin durchgeführt wird, und bei der Frauen mit Brustkrebs unter Chemotherapie diese deutlich besser vertrugen – insbesondere, aber wohl nicht nur, im Hinblick auf Fatigue –, wenn sie 36 Stunden vor bis 24 Stunden nach der Infusion nur Brühe, Saft und Tee zu sich nahmen. Ich habe heute bei dem KH angefragt, ob es auch Erfahrungen mit Männern mit Prostatakrebs unter Chemotherapie gibt, habe aber natürlich, da Wochenende, noch keine Antwort bekommen. Ich würde es spannend finden, wenn auch Männer dieses Fasten während ihrer Chemotherapie ausprobieren und darüber hier berichten würden.

Dazu schrieb Wolfgang aus Berlin einen Tag später:

Nach einigen Minuten nach dem Anfang der Sendung geht es um Immuntherapien. Erwähnt wird auch, was Dr. Neßelhut (Duderstadt) bei einem Vortrag sagte, dass mit Immuntherapien derzeit bei ca. 30 bis 40 % der Patienten geholfen werden kann.

Harald_1933:

als Ergänzung für Dich - hier -

Und wieder Wolfgang aus Berlin:

Aus dem verlinkten Beitrag ist erkennbar, dass eine entsprechende Therapie möglichst nicht nach einer Chemo gemacht werden sollte. Deshalb lassen Patienten vor einer Chemo vorsichtshalber Blutzellen einfrieren, damit sie für später "vernünftige" eigene Zellen für die Therapie vorrätig haben.

Ja, und so muss der Patient an alles selbst denken und dann noch ca. 20.000,- € locker machen. Was im Beitrag nicht steht ist, dass jährliche Nachbehandlungen zu je ca. 5.000,- € vorteilhaft sind, damit der gute Immunstatus erhalten bleibt.

Dr. Neßelhut unterstützt Patienten bei Klagen gegen die Krankenversicherungen und -kassen.