Der Extrakt aus dem Prostatakrebs-Forum von KISP und BPS

Therapiearten – Antikörpertherapie

Werner Roesler schrieb am 14.9.2007 unter dem Betreff "Möglicher Einsatz von Antikörpern beim fortgeschrittenen, metastasierenden Prostatakarzinom":
Der Einsatz von Zytostatika (wie z.B. Docetaxel u.a.) unterliegt einigen wesentlichen Einschränkungen, dazu zählen die sog. unerwünschten Wirkungen sowie die Resistenzproblematik.
Der Einsatz bleibt beim Prostatakarzinom in der Palliation stecken, damit ist die Prognose für Männer mit einem fortgeschrittenen und metastasierenden Prostatakrebs weiterhin sehr ernst.
Hier zeigen nun Behandlungsansätze. wie Impftherapien, Tyrosinkinase-Inhibitoren und auch der Einsatz von Antikörpern weitere sehr hoffnungsvolle Therapiemöglichkeiten auf, die das verfügbare Potential an anti-tumorös wirkenden Substanzen und Maßnahmen schon jetzt erweitern können.
Bei vielen anderen Tumorerkrankungen werden Antikörper bereits (oft in Kombinationen mit anderen Therapeutika) erfolgreich eingesetzt und führen so schon aktuell zu erheblichen Verbesserungen und Lebensverlängerungen bei den Patienten.
Eine Verlängerung des Lebens macht aber nur dann Sinn, wenn diese mit einer vernünftigen Lebensqualität verbunden ist.
Zur Antikörpertherapie
Tumoren (so auch das Prostatakarzinom) können nur bis zu einer Größe von wenigen Millimetern per Diffusion den Gasaustausch durchführen. Alles, was mit dem Tumorwachstum über diese Größen hinausgeht, bedarf der Versorgung mit einem Kapillarbett. Diese Prozesse werden über die Tumorzellen direkt (autokrin) oder über ortsansässige Zellen (Endothel- oder Fibroblastenzellen) durch die Sezernierung pro-angiogener Wachstumsfaktoren (parakrin) durchgeführt.
Beim Prostatakarzinom stellen der VEGF (vaskulär endothelial growth factor) , der EGFR (epidermal growth factor) sowie der humane epidermale Wachstumsfaktor-Rezeptor Typ-2-HER-2/neu wichtige Zielstrukturen für den Einsatz von Antikörpern dar.
Beim Prostatakarzinom sind drei monoklonale Antikörper unter Bezugnahme auf die Zielstrukturen u. a. schon aktuell einsetzbar.
1."Avastin" (Bevacizumab) ist ein sehr bekannter und für die Behandlung des Prostatakarzinoms noch nicht zugelassener Antikörper. Beim Prostatakarzinom, als ein Angiogenese-abhängiger Tumor, ergibt sich aber somit vernünftigerweise der Einsatz eines anti-VEGF-Antikörpers.
Bevacizumab ist ein rekombinanter, humanisierter, monoklonaler
Antikörper, 95 % humaner Anteil, der Rest ist murin (von der Maus).
Bevacizumab bindet und neutralisiert VEGF. Es wird über verschiedene VEGF-Rezeptoren (so die Wichtigsten VEGF-R 1 und VEGF-R 2) die Signalweiterführung, die zu einer Gefäßneubildung führt, effektiv unterbunden.
Wenn also eine Überexprimierung von VEGF beim PCa nachgewiesen ist, somit auch eine schlechte Prognose vorliegt, kann Bevacizumab den Tumor von seinen Versorgungsstrukturen stark abkoppeln.
Zusätzlich zum anti-angiogenetischen Effekt kann B. die Diffusion einer weiteren Chemotherapie erhöhen, da Bevacizumab auch einen weiteren Effekt auf die Gefäßstruktur ausübt und eine Normalisierung des pathologisch erhöhten interstitiellen Druckes im Tumorgewebe erzeugt.
Anfang 2005 ist in Deutschland die Kombination von Bevacizumab mit einer Chemotherapie aus Bolus 5-FU, Folinsäure (IFL) und Irinotecan zugelassen, aber momentan nur beim kolorektalen Karzinom.
Nach dieser Antikörper-Anwendungn kann noch eine sog. Zweitlinien-Chemotherapie mit Oxaliplatin (der Weiterentwicklung von Cisplatin und Carboplatin) durchgeführt werden.
Nebenwirkungen:
Bislang wurden keine allergischen Reaktionen von klinischer Relevanz beschrieben.
Erhöhter, aber kontrollierbarer Blutdruck wurde bei 22,5 % ( Grad 3-Hypertonie bei 11 %) festgestellt. Der Blutdruck sollte regelmäßig überwacht werden.
Die Proteinausscheidung müsste mit Urin-Teststreifen regelmäßig überprüft werden.
Selten (bei 1,5 %) können schwerwiegende gastrointestinale Perforationen auftreten.
Wundheilungsstörungen sollten aber generell sehr beachtet werden!
Die Halbwertszeit liegt bei ca 20 Tagen, schwankt aber von Patient zu Patient.
2. "Erbitux"(Cetuximab) ist ein chimärer, monoklonaler IgG1-Antikörper, die konstante Effektorregion ist humanen Anteils, die variable ist murin.
Cetuximab wirkt auf den EGF-Rezeptor ein. Bei verschiedenen Karzinomen ist eine Expression dieses EGF-Rezeptors mit einer schlechten Prognose verbunden.
C. hemmt kompetitiv die Bindung der endogenen Liganden EGF und TGF-Alpha an den Rezeptor.
Der EGFR ist für das Wachstum und die Metastasierung des Tumors von wichtiger Bedeutung. So werden die Entdifferenzierung des Tumors, die Produktion von pro-angiogenetischen Zytokinen (u.a. VEGF) über Signalwege inhibiert. C. bindet an die Karzinomzelle (EGFR) und führt so zur Apoptose-Einleitung, außerdem wird eine starke Zytotoxizität erreicht.
EGFR wird durch einen immunhistochemischen Test im Tumormaterial nachgewiesen. Ein Tumor gilt als EGFR-positiv, sobald eine einzige gefärbte Zelle nachweisbar ist! Aber aufgrund klinischer Erfahrung können auch Patienten mit einem negativen immunhistochemischen EGFR-Test auf Cetuximab ansprechen.
Cetuximab ist seit 2004 in Deutschland in Kombination mit "Irinotecan" zur Behandlung bei Patienten mit metastasierenden kolorektalen Karzinomen, die den EGFR exprimieren, zugelassen.
Bei der Anwendung von Cetuximab habe ich die Frage des Nachweises von EGFR im Tumormaterial sowie den Bereich Nebenwirkungen ergänzt. Möglicherweise kann EGFR auch bei Tumorzellen aus dem Blut festgestellt werden. Hier werde ich noch recherchieren.
Nebenwirkungen:
Die Nebenwirkungen von Cetuximab sind ein akneähnlicher Hautausschlag bei ca. 80 %, der aber nur bei ca. 10 % eine Grad-3- oder -4-Hautreaktion zeigt. Aber Patienten, die einen Hautausschlag bekommen, sprechen signifikant häufiger auf diese Therapie an!
Mit entsprechenden topischen Anwendungen von Salicylsäure- oder Antibiotika-basierten Cremes können die Symptome gelindert werden. Nach Beendigung der Behandlung bilden sich die Hauterscheinungen in der Regel komplett zurück
Weiterhin Juckreiz, Hauttrockenheit und mögliche Nagelveränderungen (Paronychien).
Ansonsten bei ca. 5 % nach der Erstinfusion grippeähnliche Symptome.
Die Nebenwirkungen bilden sich nach Beendigung zurück.
3."Herceptin" (Trastuzumab) ist ein rekombinanter monoklonaler, humanisierter Antikörper, der sich gegen das Transmembranprotein HER 2/neu richtet.
Beim Prostatakarzinom kann bei einigen Männern eine Überexpression festgestellt werden (recht oft kommt diese Konstellation beim Mammakarzinom vor).
Die Überexpression von HER 2/neu weist auf einen aggressiven und rascher metastasierenden Krebs hin, verbunden mit einer schlechteren Prognose.
Bei der HER 2/neu-Überexpression wird auch über eine schneller eintretende Unwirksamkeit der Hormonentzugstherapie und eine besondere relative Chemotherapieresistenz diskutiert.
Beim Nachweis einer HER-2-Überexpression kann Trastuzumab beim Prostatakarzinom eingesetzt werden.
Die standardisierte Untersuchung findet immunhistologisch (IHC) mit einer Graduierung von 0 bis 3 + statt. Die FISH-Technik (Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung) ermöglicht den Nachweis auf der DNA-Ebene. Diese Methode ist aufwändiger, aber hat wegen der Stabilität der DNA der Vorteil, sowohl aus dem Blut sowie vitalem Tumorgewebe oder aus paraffineingebetteten Proben anwendbar zu sein.
Trastuzumab ist seit 1998 beim Mammakarzinom zugelassen.
Nebenwirkungen:
Trastuzumab gilt als nebenwirkungsarm. Grippeähnliche Symptome werden bei bis zu 40 % im Rahmen der Erstinfusion beobachtet. Weiterhin seltene Nebenwirkungen wie Übelkeit, Diarrhoe, Schmerzen im Tumorbereich, Dyspnoe, Exanthem. Bei den folgenden Infusionen nimmt die Verträglichkeit deutlich zu.
Da HER 2 und seine Liganden in Herzmuskeln exprimiert sind, können Herzprobleme auftreten. Jedoch treten diese meist in der Kombination mit anderen Therapeutika, wie z. B. Anthrazyklinen auf. Bei ca. 4,7 % habe man so eine kardiale Dysfunktion festgestellt, die sich im Rahmen einer Kardiomyopathie, eines Herzversagens und/oder einer Einschränkung der Auswurfreaktion äußert.
Literatur:
1. Stephen B. Strum (2002) Ein Ratgeber zum Prostatakrebs;
2. Pschyrembel;
3. Buselmaier (2003) Biologie für Mediziner;
4. Jacobi ( 2003)Praxis der Männergesundheit;
5. Heidenreich (2006) Palliative Therapiestrategien beim Prostatakarzinom;
6. Weißbach (2005) Diagnose:Prostatakrebs;
7. Estler (2000) Pharmakologie und Toxikologie;
8. Oberholzer (2001) Pathologie verstehen;
9. Engert-Dreger-Haferlach (2007) Antikörpertherapie in der Hämatologie und Onkologie;